(Montag, 8.12 Uhr.
28º04 S/37º29 O.
Kurs 222º SW.)
28º04 S/37º29 O.
Kurs 222º SW.)
Dies war nun zum ersten Mal auf dieser Reise: Einsamkeit. Nicht nur Fremdheit, aus denen ich auf Reisen ja durchaus Reize zu gewinnen weiß, sondern ein Alleinsein wie hinter Glas. Die fremde Sprache funktioniert da allenfalls so, wie Mikrophonanlagen, die den Gefangenen mit dem Besucher verbinden, aber über Tausende Meilen, so daß die Kommunikation immer wieder abgebrochen und/oder zerhackt wird, wie ich es hier bei Skype mit der Löwin ständig erlebe. Räumliche Entfernung, indes, ist verstehbar, seelische nicht oder nur sehr viel weniger.
Es war Disko angesagt für die Nacht, und ich, ja, Sie lesen richtig, freute mich drauf. Ein tropisches Buffet dazu, dessen Früchte unser Herr der Gastronomie persönlich auf Mauritius großem Markt ausgesucht hatte, handverlesen reich. Nun kam ich selbst freilich ein wenig spät, erstens gewohnt aus Berlin, daß man zu Tanzveranstaltungen auf keinen Fall pünktlich geht, sonst steht man lang noch allein herum, sondern erst sowas, sagen wir, einzwei Stunden später; zweitens weil ich die Nachtserenade noch hören wollte, im Herzen ein wenig die Hoffnung, die Musikerinnen, nachher, begleiteten mich. Aber die schmale Ukrainerin, noch schlechter im Englischen als ich, ist scheu wie eine Wölfin, tritt auf, lächelt von unten herauf mit ungemeiner Innigkeit ihre Duopartnerin an, wenn sie wählen, welches Stück sie nun als nächstes spielen; dann aber, ist die Serenade vorüber, entflieht sie wie eine Meerjungfrau und bleibt, bis der nächste Auftritt erfolgt, unter Wasser, tief drunten, in einer Muschel vielleicht, verborgen. Ich stelle mir vor, sie, die Muschel, sei ganz aus Musik. (Sie wird aber voll der Sorge sein, um, bemerkte vorhin die Löwin bei Skype, ihre Lieben daheim im geschüttelten Mutterland).
Jedenfalls kam ich aufs Achterdeck, da war die Party voll im Gang, die Oldies tönten übers Meer, und halt die Oldies tanzten. Es ist keine Vermessenheit, wenn ich das so erzähle, wie ich es tu, aber so sehr es mich in den Beinen juckte, ich mich bewegen wollte, ich hätte da einfach nicht hingehört. Zum einen, weil es etwas sehr Bizarres hat, wenn sich alte Leute bewegen, wie wenn sie fünfzehn wären, sich so zu bewegen versuchen, zum anderen, weil diese Ausgelassenheit, die herrschte, keinen Beobachter haben darf; für sich alleine ist sie in Ordnung, menschlich, sogar nahe, nicht aber, wenn das Fremde hinzutritt und seinen Blick darauf wirft. Hinwiederum war dieses Fremde ein Steppenwolf aber, der gerade deutlich auf eine Beute auswar, die sich unter den Tanzenden eben nicht fand. Und dort nicht finden konnte. Die aber, die es hätten werden können, saßen, sofern sie denn dort saßen, abseits im Rauchereck beieinander und sprachen; es geht eine Grenze zwischen dort und hier, und ich stehe mitten darauf: Sie geht, so empfand ich, mitten durch mich hindurch; ich bin von ihr durchstochen und auf diese Weise fixiert.
Es ist besonders eine Angelegenheit der Körper; ich bin nach wie vor trainiert und, abgesehen von der blöden Achillessehne rechts (wenn ich zurück bin, werd ich nun doch mal zum Sportarzt gehen müssen), in geradezu vibrierender Verfassung: So etwas will. Aber geht nicht zusammen mit den Älteren, kaum denen der gleichen Generation, weil eben die Körper der anderen so vernachlässigt wurden; kaum jemand, der nicht Bauch hat, kaum mal eine elastische Biege der Rücken, Spiel der Sehnen der Schenkel, Gesäße, die nicht hängen; und dazu der Geist: bei wem er ist, war gestern nicht beim Tanzen, denn das, denkt Gregor Lanmeister, der ja auch nicht mittanzt, hat Gründe, deretwegen er eben nicht mitttanzt. Ja, beschämt ein wenig, hat er sich auf sein Bootsdeck zurückgezogen, wo er nicht einmal mehr die Musik hört, sondern nur immer das Meer, das Meer, auf dem er davongleiten wird.
Und natürlich, so möchte ich schreiben, waren es alles Paare gestern abend, die ja ihre Reise machen, man ist als Einzelner auch insofern schon fremd, Paare, die zurückblicken und sich im Tanzen erinnern: ein höchst intimer, persönlicher Vorgang, der sich nur unter Gleichen mitteilen läßt und sich so austauscht und nur unter Gleichen nicht affig wirkt, sondern da ganz für sich wahr ist. - Also wartete ich, bis sich die Reihen lichteten. Der Mond stand hoch über uns, beinahe voll, mit einem riesigen Halo, und warf achtern ein glimmendes Silber über das Meer. Noch saßen die jungen Leute in der Raucherecke, auch die Geigerin. Vielleicht sie doch, dachte ich. Und fing für mich, abseits, zu tanzen an. Eine Art Lockuf der Gesten. Er wehte und verwehte über die Reling, wie mir der neue Schal um den Nacken flatterte in seinem blassen und nach Braun verwischten Ockergold. Eine Filmszene, dachte ich, es dürfte niemand sonst da sein. Selbstgenügend autoerotisch: aber eben das war es ja nicht, sondern vergebens. Hätte ich sprechen können, wirklich sprechen, ohne nur radezubrechen, ich hätte dem allen eine Wendung gegeben, vertraut in meiner Sprache mit meinen Abgründen, die ich in den Wörtern schillern lassen kann, schlittern, kreisen; es wäre mir nicht schwer gewesen, das no go zu unterlaufen, das durchaus sinnvollerweise Crew von Passagieren getrennt hält, aber diese Abgründe sind mir in der fremden Sprache vergittert. Ich ahne, wo die Fallen liegen, aber zeige immer daneben, und stürzte selbst hinein, wo ich im Deutschen mit Eleganz hinunterzuklettern verstünde, Surfern gleich hinunterzu<>gleiten. Ohne Vollendung der Sprache, ist man als erotischer Spieler disqualifiziert; eine Erfahrung, die ich immer wieder mache, hier aber, in der doppelten Zwischenwelt dieses Schiffes, seiner selbst wie der meinen, brennt sie sich unter die Haut, und man trägt sie wie ein Tattoo aus Fremdheitspheromonen: Keiner sieht es, aber jeder nimmt es wahr.
Welch eine Erlösung dann, momentlang selbstverständlich nur, als einer der Sängerinen, mit der ich schon ein paarmal geplaudert, auf mich zutrat, nach meinem Befinden fragte, und ich legte kurz den Arm um ihre Taille und sie sich, ebenso kurz, in ihn hinein: Berührung. Dann ward sie schon davongerufen von den Freunden und Kollegen. Ich aber ging zur Bar, nahm einen nächsten Whisky und - gab es auf.
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*****
Einen Tag vor Afrika. Morgen werden wir die Ozeanüberquerung abgeschlossen haben, dann noch die Küste hinunter auf dieser See etwas schippern, bis wir das Kap umrundet haben und in den Atlantik einfahren sein werden. Vorher aber, morgen, Durban. Ein Wiedersehen für mich - nach, rechnete ich vorhin übern Daumen, achtundzwanzig Jahren -, dem ich entgegenfiebre. Um acht Uhr werden wir im Hafen angelegt haben und von Bord gehen können; erst um 20 Uhr abends wird es weiterfahren. So daß es unwahrscheinlich ist, daß ich morgen hier schreiben, bzw. von dem Erlebten schon etwas erzählen werde, sondern wohl erst übermorgen wird in Der Dschungel etwas davon stehen. Ich möchte mich aber, weil es zwar wahr, zugleich aber so unfair ist, was ich über die gestrige Disko schrieb - weil es letztlich frustriert ist (frustra heißt vergeblich) - entschuldigen, bevor ich dieses schließe, und t u es, und wie ich's tue, das sieht s o aus:
Damit ist bei i h n e n alles Recht, nicht bei mir.
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Es war Disko angesagt für die Nacht, und ich, ja, Sie lesen richtig, freute mich drauf. Ein tropisches Buffet dazu, dessen Früchte unser Herr der Gastronomie persönlich auf Mauritius großem Markt ausgesucht hatte, handverlesen reich. Nun kam ich selbst freilich ein wenig spät, erstens gewohnt aus Berlin, daß man zu Tanzveranstaltungen auf keinen Fall pünktlich geht, sonst steht man lang noch allein herum, sondern erst sowas, sagen wir, einzwei Stunden später; zweitens weil ich die Nachtserenade noch hören wollte, im Herzen ein wenig die Hoffnung, die Musikerinnen, nachher, begleiteten mich. Aber die schmale Ukrainerin, noch schlechter im Englischen als ich, ist scheu wie eine Wölfin, tritt auf, lächelt von unten herauf mit ungemeiner Innigkeit ihre Duopartnerin an, wenn sie wählen, welches Stück sie nun als nächstes spielen; dann aber, ist die Serenade vorüber, entflieht sie wie eine Meerjungfrau und bleibt, bis der nächste Auftritt erfolgt, unter Wasser, tief drunten, in einer Muschel vielleicht, verborgen. Ich stelle mir vor, sie, die Muschel, sei ganz aus Musik. (Sie wird aber voll der Sorge sein, um, bemerkte vorhin die Löwin bei Skype, ihre Lieben daheim im geschüttelten Mutterland).
Jedenfalls kam ich aufs Achterdeck, da war die Party voll im Gang, die Oldies tönten übers Meer, und halt die Oldies tanzten. Es ist keine Vermessenheit, wenn ich das so erzähle, wie ich es tu, aber so sehr es mich in den Beinen juckte, ich mich bewegen wollte, ich hätte da einfach nicht hingehört. Zum einen, weil es etwas sehr Bizarres hat, wenn sich alte Leute bewegen, wie wenn sie fünfzehn wären, sich so zu bewegen versuchen, zum anderen, weil diese Ausgelassenheit, die herrschte, keinen Beobachter haben darf; für sich alleine ist sie in Ordnung, menschlich, sogar nahe, nicht aber, wenn das Fremde hinzutritt und seinen Blick darauf wirft. Hinwiederum war dieses Fremde ein Steppenwolf aber, der gerade deutlich auf eine Beute auswar, die sich unter den Tanzenden eben nicht fand. Und dort nicht finden konnte. Die aber, die es hätten werden können, saßen, sofern sie denn dort saßen, abseits im Rauchereck beieinander und sprachen; es geht eine Grenze zwischen dort und hier, und ich stehe mitten darauf: Sie geht, so empfand ich, mitten durch mich hindurch; ich bin von ihr durchstochen und auf diese Weise fixiert.
Es ist besonders eine Angelegenheit der Körper; ich bin nach wie vor trainiert und, abgesehen von der blöden Achillessehne rechts (wenn ich zurück bin, werd ich nun doch mal zum Sportarzt gehen müssen), in geradezu vibrierender Verfassung: So etwas will. Aber geht nicht zusammen mit den Älteren, kaum denen der gleichen Generation, weil eben die Körper der anderen so vernachlässigt wurden; kaum jemand, der nicht Bauch hat, kaum mal eine elastische Biege der Rücken, Spiel der Sehnen der Schenkel, Gesäße, die nicht hängen; und dazu der Geist: bei wem er ist, war gestern nicht beim Tanzen, denn das, denkt Gregor Lanmeister, der ja auch nicht mittanzt, hat Gründe, deretwegen er eben nicht mitttanzt. Ja, beschämt ein wenig, hat er sich auf sein Bootsdeck zurückgezogen, wo er nicht einmal mehr die Musik hört, sondern nur immer das Meer, das Meer, auf dem er davongleiten wird.
Und natürlich, so möchte ich schreiben, waren es alles Paare gestern abend, die ja ihre Reise machen, man ist als Einzelner auch insofern schon fremd, Paare, die zurückblicken und sich im Tanzen erinnern: ein höchst intimer, persönlicher Vorgang, der sich nur unter Gleichen mitteilen läßt und sich so austauscht und nur unter Gleichen nicht affig wirkt, sondern da ganz für sich wahr ist. - Also wartete ich, bis sich die Reihen lichteten. Der Mond stand hoch über uns, beinahe voll, mit einem riesigen Halo, und warf achtern ein glimmendes Silber über das Meer. Noch saßen die jungen Leute in der Raucherecke, auch die Geigerin. Vielleicht sie doch, dachte ich. Und fing für mich, abseits, zu tanzen an. Eine Art Lockuf der Gesten. Er wehte und verwehte über die Reling, wie mir der neue Schal um den Nacken flatterte in seinem blassen und nach Braun verwischten Ockergold. Eine Filmszene, dachte ich, es dürfte niemand sonst da sein. Selbstgenügend autoerotisch: aber eben das war es ja nicht, sondern vergebens. Hätte ich sprechen können, wirklich sprechen, ohne nur radezubrechen, ich hätte dem allen eine Wendung gegeben, vertraut in meiner Sprache mit meinen Abgründen, die ich in den Wörtern schillern lassen kann, schlittern, kreisen; es wäre mir nicht schwer gewesen, das no go zu unterlaufen, das durchaus sinnvollerweise Crew von Passagieren getrennt hält, aber diese Abgründe sind mir in der fremden Sprache vergittert. Ich ahne, wo die Fallen liegen, aber zeige immer daneben, und stürzte selbst hinein, wo ich im Deutschen mit Eleganz hinunterzuklettern verstünde, Surfern gleich hinunterzu<>gleiten. Ohne Vollendung der Sprache, ist man als erotischer Spieler disqualifiziert; eine Erfahrung, die ich immer wieder mache, hier aber, in der doppelten Zwischenwelt dieses Schiffes, seiner selbst wie der meinen, brennt sie sich unter die Haut, und man trägt sie wie ein Tattoo aus Fremdheitspheromonen: Keiner sieht es, aber jeder nimmt es wahr.
Welch eine Erlösung dann, momentlang selbstverständlich nur, als einer der Sängerinen, mit der ich schon ein paarmal geplaudert, auf mich zutrat, nach meinem Befinden fragte, und ich legte kurz den Arm um ihre Taille und sie sich, ebenso kurz, in ihn hinein: Berührung. Dann ward sie schon davongerufen von den Freunden und Kollegen. Ich aber ging zur Bar, nahm einen nächsten Whisky und - gab es auf.

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Einen Tag vor Afrika. Morgen werden wir die Ozeanüberquerung abgeschlossen haben, dann noch die Küste hinunter auf dieser See etwas schippern, bis wir das Kap umrundet haben und in den Atlantik einfahren sein werden. Vorher aber, morgen, Durban. Ein Wiedersehen für mich - nach, rechnete ich vorhin übern Daumen, achtundzwanzig Jahren -, dem ich entgegenfiebre. Um acht Uhr werden wir im Hafen angelegt haben und von Bord gehen können; erst um 20 Uhr abends wird es weiterfahren. So daß es unwahrscheinlich ist, daß ich morgen hier schreiben, bzw. von dem Erlebten schon etwas erzählen werde, sondern wohl erst übermorgen wird in Der Dschungel etwas davon stehen. Ich möchte mich aber, weil es zwar wahr, zugleich aber so unfair ist, was ich über die gestrige Disko schrieb - weil es letztlich frustriert ist (frustra heißt vergeblich) - entschuldigen, bevor ich dieses schließe, und t u es, und wie ich's tue, das sieht s o aus:
Damit ist bei i h n e n alles Recht, nicht bei mir.