Auf den Grashalmen lag Tau, und wenn es Insekten gegeben hätte, wären sie aus ihren Löchern gekrochen, um den neuen Tag zu begrüßen. Die Gruppe befand sich zu diesem Zeitpunkt am Rande einer Industrieruine. Stillgelegte Fabrikanlagen, Monolithen aus altem Backstein, mit hohen Türmen und eingeschmissenen Fenstern; einem begehbaren Hof, unwesentlichen, sich wiederholenden Geräuschen und verstreuter Farbe. Eine Farbwand, die sich näherte, die Gruppe umschlich und schließlich umwickelte, sie einsaugte in das Gelände, ehe sich alle auf einen Mauervorsprung setzten und redeten, als ob die Nacht noch einmal die Biege bekommen könnte, und Schlaf war vollkommen unwesentlich geworden war. Das Grau hellte sich auf, die Konturen wurden feiner, aber das ging nahezu unmerklich vor sich, während Anna eine Schwere in den Beinen fühlte und sich bei jeder Gelegenheit dehnte. Ein strahlender Morgen, das Ende einer Nacht am Rande der Stadt, in diesem ungrünen, erdigen Nichts, aus der verweste, rote Steine emporwuchsen, eine ziemlich heruntergekommene Kulisse.
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Lottmannsche Wahrheiten 1:
"Er tat das, weil in den Wiener Künstlerkreisen immer noch, nicht anders als vor hundert Jahren, abenteuersuchende Frauen verkehrten. Das war in Deutschland nicht so. Dort wollten die Frauen, die die Nähe von Malern suchten, selber welche sein. Und die, die mit Schriftstellern verkehrten, wollten selbst veröffentlichen. Und ohnehin waren beide Bereiche streng voneinander getrennt. In Wien changierten die betreffenden Frauen liebend gern von einem Schriftsteller zu einem Künstler, das war interessant und lehrreich, und sogar ein Zwischenstopp bei einem beschäftigungsarmen Millionär war noch möglich. Die handelnden männlichen Personen konnten jedes Alter und jedes Aussehen haben, solange sie Humor besaßen. Die weiblichen Personen mussten alle jung sein. Das waren die ewigen Gesetze der Wiener Bohéme."
(Joachim Lottmann, Endlich Kokain, S. 88)
+ Ausgehtipp.
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Lottmannsche Wahrheiten 1:
"Er tat das, weil in den Wiener Künstlerkreisen immer noch, nicht anders als vor hundert Jahren, abenteuersuchende Frauen verkehrten. Das war in Deutschland nicht so. Dort wollten die Frauen, die die Nähe von Malern suchten, selber welche sein. Und die, die mit Schriftstellern verkehrten, wollten selbst veröffentlichen. Und ohnehin waren beide Bereiche streng voneinander getrennt. In Wien changierten die betreffenden Frauen liebend gern von einem Schriftsteller zu einem Künstler, das war interessant und lehrreich, und sogar ein Zwischenstopp bei einem beschäftigungsarmen Millionär war noch möglich. Die handelnden männlichen Personen konnten jedes Alter und jedes Aussehen haben, solange sie Humor besaßen. Die weiblichen Personen mussten alle jung sein. Das waren die ewigen Gesetze der Wiener Bohéme."
(Joachim Lottmann, Endlich Kokain, S. 88)
+ Ausgehtipp.