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in|ad|ae|qu|at : LITERATUR ALS RADIOKUNST | Florian Neuner im ORF- Studio | Produktionsnotizen

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||| RESONANZEN , RÄUME | TEXT , THEORIE UND SYSTEMATISCHE FEHLER | MONO- UND DIALOG | HINWEIS | RELATED

RESONANZEN , RÄUME

Mit Florian Neuner ist ein erfahrener Autor am Wort , der seine Stimme bestens kennt , eine Stimme, die er sowohl in Lesungen als auch in Sendungen zur Neuen Musik für das Deutschlandradio ausgebildet hat .

Für “Literatur als Radiokunst” ( LARK ) hat Neuner ein umfangreiches Textkonvolut mitgebracht , dessen Titel “leichter schluckauf am späten abend” von dem deutschen Autor Chris Bezzel inspiriert ist , genausogut aber auch eine Referenz sein könnte auf Christian Steinbachers LARK- Produktion “der schluck auf der lücke” ( 2010 ) .

Womit bereits eine eminente Eigenschaft von Neuners Poetik zum Ausdruck lommt : Fern davon , die Charge des Universalgenies – das alles auch sich selbst zu schöpfen beansprucht – zu übenehmen , durchwirkt der Autor seine Texte mit mannigfaltigen Bezügen zu Autoren , Philosophen , Werken : Namen blitzen auf und Zitate , welche das Hörstück in einem betimmten Koodinatensystem verorten.

Ein Koordinatensystem freilich , von welchem sich Neuner nicht beengen lässt . Viel mehr ist das Gegenteil der Fall : die Einbeziehung von Namen ( Reinhard Priessnitz , Helmut Heissenbüttel , Peter O. Chotjewitz , Dieter Roth ) , von ästhetischen Positionen und von ( Krypto- ) Zitaten erweitern als differenzierter Resonanzraum das Hier und Jetzt des gesprochenen , bearbeiteten und gesendeten Textes . Die Tatsache , dass Neuners Schreibweise stets auch die eigene Poetik reflektiert , wird auch im Hörstück produktiv , wo das Gemachtsein des Wortwerks in verschiedenen Stimmen , Szenen und Selbstbefragungen zur Spache kommt .

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TEXT , THEORIE UND SYSTEMATISCHE FEHLER

Die Texte , die Neuner für seine LARK- Produktion vorgesehen hat , sind weder narrativ noch appellativ , sondern verweben Text und Theorie unauflöslich . Ganz zu schweigen von den mitunter komischen Momenten , welche sich in den ( inszenierten ) Dialogen mit dem Tonmeister Bahn brechen .

Das Stück ist in drei Teile gegliedert ( drei Szenen , drei Sequenzen , drei Sprechhaltungen ) , wobei in der Mitte der sogenannte “Basistext” situiert ist : ein verhältnismässig umfangreicher Prosatext , welcher – ohne jeden Absatz – einen förmlichen Stunt zu Themen wie Radio und Radiokunst , Sprechen und Lesekunst , Produktion und Rezeption hinlegt . So etwa , wenn es heisst :

Wenn nun alles gesagt werden kann. Wenn alles womöglich gesagt werden muß. Wenn alles schon gesagt worden ist. Aber was heißt das?

Um die Konvention des wohlartikulierten “Schön- Redens” ( samt dessen autoritativen Anspruch ) zu brechen hat sich Neuner eine ganze Reihe von “Störungen” ausgedacht , welche im Grunde auf eine Form von auditiver arte povera abzielt .

Seitens des Autors sind es Räuspern , Husten , Schlucken , Papierrascheln und andere spontane Ungeschicklichkeiten , welche ständig die Linearität des Vortrags torpedieren .

Von seiten der Technik wird möglicher Schönklang hintertrieben und zwar mit deutlichem Hang zu handfesten Mitteln . Dies geschieht im Gegensatz zu den unzählbaren Effekten , wie sie das digitale Wunderkistchen anbietet .

Als grundlegndes Werkzeug der Verfremdug erweisen sich die absichtlich nicht optimal eingestellte Mikrophone : nicht weniger als vier verschiedene Typen – von dem in der Hand gehaltenen AKD D-222 bis hin zum Sennheiser MKH-80 Richtmikrofon ( in zwei Metern Entfernung zum Sprecher platziert ) liefern insgesamt eine Reihe von sehr organisch wirkender Fehlfarben .

Techniker Robert Pavlecka am Band : 100% analog

Weitere Mittel zur Beeinflussung des Sprechakts waren die extrem laute Zuspielung von Soundsalat in den Kopfhörer des Autors , der mit seiner Stimme gegen diesen Anprall ankämpfen musste . Einige Aufnahmen wurden auch auf dem – weitgehend ausgestorbenen – Studioband vollzogen . Total analog , wurden die Bandaufnahme / das Aufnahmeband manuell abgespielt , was sehr nette Manipulationen von Tempi ( und somit Pitch-Wechsel ) ermöglicht .

Und dann war ich dahin gekommen zu sagen : Ich möchte bewusst gegensteuern . Ich möchte unsaubere Aufnahmen machen . Ich möchte Fehler einsammeln , die passieren können bei Sprachaufnahmen . Von Störgeräuschen angefangen bis hin zu Schnittfehlern und dem Repertoire dessen , was man eigentlich nicht will . Und das ist sozusagen mein Einstieg gewesen, nämlich auf der einen Seite sozusagen technische Defizite anzusteuern und auf der anderen Seite all das geschehen zu lassen, was einem als Sprecher passieren kann. Man überfordert sich , man ist irgendwann unkonzentriert , man ist vielleicht heiser . Man ist zu schnell , man gerät durcheinander , verstrickt sich im Text , weiss nicht mehr , wo man ist usw . Also haben wir im Hinblick auf die Aufnahmetechnik als auch bezüglich meiner Sprechstimme bewusst Fehlerquellen eingesetzt . ( Florian Neuner , Statement zur Produktion )

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MONO- UND DIALOG

Teil eins und Intro der Produktion sind geprägt vom treffllich kartografierten Geplänkel zwischen dem Redner im Studio und dem Tonmeister : ein von Dieter Roths “radiosonate” inspiriertes Hin- und Her im gequetschten Sound der Sprechanlage zwischen Studio und Regieplatz . Passagen , in welchen konsekutiv eingespielte Sätze synchron erklingen , bilden eine Art Klammer um den “Basistext” .

Schliesslich lässt sich die Instanz eines Alter Ego vernehmen . Als hätte diese Stimme den “Basistext” etwas unkonzentiret vernommen , wiederholt diese Stimme bruchstückhaft einige Topoi und Thesen . Auch die Assoziationen , Überlegungen , Vorstellungen bleiben nicht selten im Halbsatz stecken und schliessen das Hörstück an dieser Stelle mit dem oben erwähnten Koordinatensystem kurz .

Hier wird deutlich , dass Florian Neuners Hörstück “leichter schluckauf am späten abend” im Grunde als Endlosschleife angelegt werden könnte , z. B. im Rahmen einer Ausstellung oder Klang- Installation .

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HINWEIS

Florian Neuner : “leichter schluckauf am späten abend” , Text und Stimme Florian Neuner , Ton & Technik Robert Pavlecka ( 17:37 )

Termin der Ursendung : Sonntag , 18. 5. 2014 , 23:03 H , kunstradio , Radio Österreich 1

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