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rheinsein : Zwischenbilanz (6)

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Die Schnapszahl von 444 Kommentaren, die gestern erreicht wurde, veranlaßt uns zu einer weiteren Zwischenbilanz. Seit der letzten Bilanz vor bald zwei Jahren hat sich rheinsein ruhig und beständig erweitert. Die geplante theoretische Auseinandersetzung mit Bedingungen und Werkzeugen rheinseins, sprich: dem Publizieren im Netz, vollzieht sich seither schleichend und weit überwiegend im Hintergrund. Es gab kaum noch Live-Auftritte, nicht zuletzt, weil wir unsere Zentrale (Arbeitsstätte plus Laptop) in der Zwischenzeit häufig jenseits rheinischer Gefilde aufgeschlagen hatten. Echtwelt-Auftritte werden künftig wieder zunehmen, zumal das nächste zum rheinsein-Kosmos gehörige Buch in Arbeit ist.

Auf die in Gesprächen häufig auftauchende Frage, was rheinsein sei, lautet unsere erste Antwort in der Regel, daß es sich mittlerweile in der Publikumswahrnehmung vermutlich in erster Linie um ein virtuelles Museum handle. Dafür spricht u.a. die oben genannte, für ein Blog eher geringe Anzahl von Kommentaren, die selten Konversations- oder Meinungscharakter besitzen, dafür häufig die Artikel um konkrete Informationen ergänzen oder auf Fehler hinweisen: eine Ausrichtung und Qualität, die wir in hohem Maße schätzen. Treffender als “Museum” wäre allerdings der leicht paradoxe Begriff einer “gemeinfreien Privatsammlung”. Und auch die Besucherzahlen und -motivationen ähneln, unseren Analyseinstrumenten zufolge, denjenigen eines mittelgroßen “realen” Museums.

Die Schlagwortwolke, die sich als Suchliste innerhalb der Seite gleichwie als Referenz- und Lockliste (für im Netz nach Informationen Suchende) verstehen läßt, ist im Laufe des vergangenen Sommers auf deutlich über 4000 Begriffe angewachsen: zu rund 90 Prozent Namen und Orte, die mit dem Rhein und seinen Kulturen in direktem Zusammenhang stehen. Zigtausende Besuche kommen über Suchmaschinenanfragen zustande, bisweilen in hochgradig kuriosen Konstellationen. Unsere seit anderthalb Jahren zaghaft/gelegentlich auf Facebook verlinkten Einträge sind in diesem Kontext mit bisher rund tausend Aufrufen als Lockmittel mit äußerst marginaler Resonanz zu betrachten.

Allerdings greift die ad hoc-Charakterisierung rheinseins als “virtuelles Museum” zu kurz. Zahlreiche künstlerische Interventionen, realitätsverschiebende Faction, die gleichberechtigt neben rein dokumentarischen Beiträgen und als literarisch gekennzeichneten Einträgen stehen, hebeln zumindest klassische Museumsvorgaben aus. Verschwindet für das klassische Museum das Original aus seiner Originalumgebung, geht im elektronischen Widergabeverfahren rheinseins das Original, wenn es denn überhaupt eines ist, in unbegrenzt abrufbaren Kopien auf, die über Bildschirmeinstellungen, Downloads und Ausdrucke häuslich verfügbar werden. Im Grunde verstehen wir rheinsein als selbstordnende Matrix, als modernes Mosaik, ein interdimensionales, ausuferndes Gebilde, Speicher und Werk zugleich, das verschiedenste Techniken, Stilrichtungen und Formen vereint und über das Netz, in dem es sich festkrallt, hinaus in die Erstwelt reicht. Ein Ende ist nicht abzusehen und der Anfang, der erste Eintrag, gleichsam der Quellartikel, behandelt die Mitte des Stroms. Die üblichen Kategorisierungen nach geografischen oder politischen Maßstäben sind in rheinsein gesprengt, das Werk ist im Fluß, dessen Fließrichtung häufig wechselt.

Erstaunlicherweise gab es in bald sechs Jahren weitgehend kontinuierlichen Sammelns und Produzierens kaum Fasen der Rheinmüdigkeit. Begriffen haben wir, daß rheinsein sich prinzipiell ein Leben lang fortschreiben ließe. Ernsthafte Sorge, der Stoff könne einmal ausgehen, trugen wir nie. Bei all dem bleibt unklar wie lange rheinsein fortgeführt werden kann, welche Notwendigkeiten dafür bestehen oder noch aufscheinen werden und ob es als befriedigend zu betrachten wäre, rheinsein als definiertes “work in progress”, als ewiges Fragment, tatsächlich eines Tages abzubrechen oder in andere Hände zu übergeben.


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