Temporeicher Roman, konzeptuelles Capriccio, rasanter Tanz: Peter Roseis jüngstes Buch “Die Globalisten” gibt heiter geschürzte Szenen einer “Comédie Humaine”, wie sie auch in einem Drehbuch steht, genauer: stehen soll. Da in diesem Reigen ohnehin Keiner kriegt, was er erstrebt, taumeln die Protagonisten – in multiplen Beziehungen ineinander verstrickt – um ein leeres Zentrum. So harrt auch das Drehbuch für ein angeblich bahnbrechendes TV-Format vergeblich einer Vollendung und bleibt es entsprechend dem Meta-Autor Peter Rosei überlassen, das komödiantische Marionettenspiel beherzt in die Hände zu nehmen.
In typisierten Konstellationen und Konfigurationen jagen einander die Figuren im Kreise, kehren Situationen – oft in spiegelbildlicher Drehung – wieder, trabt die Sprache mit aberwitzig schiefen Bildern in leeren Touren. Die Typenkomödie um Aufsteiger und Absteiger, Oligarchen und Opportunisten, betrogene Betrüger und Schmalspur-Ganoven, coole Kunst-Schritt-Macher und treugläubige Texter wäre eines Nestroy durchaus würdig.
Prägt Honoré de Balzacs “Comédie Humaine” zweifellos den Hintergrund der Burleske, ist – neben den Nestroyschen Tableaux – unschwer Arthur Schnitzler als Impulsgeber für manche Triftigkeit in Handlung und Sprache auszumachen. Da ist der Reigen, in welchem sich die Protagonisten schön – und mit manch unschönen Absichten – im Kreise aneinander abarbeiten. Und da ist eine Sprache voll der Austriazismen, voll der Phrasen und voller decouvrierender Jargons.
Dem Glamourfaktor von metropolitanen ersten Adressen in Wien, St. Petersburg und Budapest stehen die realexistierenden soziographischen Topographien der Wiener Bezirke Fünfhaus und Ottakring ebenso entgegen wie die Plattenbauten von Košice, ein heruntergekommener Vorort Münchens und das Gefängnis Berlin Tegel. Desgleichen macht es nicht viel Unterschied, ob es sich bei den Protagonisten nun um Russen handelt, um Rumänen, Polen, Schweizer oder Österreicher: Sämtlich sind sie ängstlich darauf bedacht, einander möglichst wenig schuldig zu bleiben.
In seiner romanesken Komödie scheut Rosei keineswegs die Anlehnung an triviale Muster, sei dies der Konsumroman, sei dies der Krimi oder seien dies billige filmische Narrative. Die Figuren klassifizieren sich flugs mittels ihrer jeweiligen Stilistik von Outfit und Attitüde. Indizien, Indikationen, Inzidenzen sind derart überdeterminiert, dass sie sich als Mittel von Fiktion und Dramaturgie selbst entstellen. Hier lässt Rosei seine Puppen an absichtlich sichtbaren Fäden tanzen.
Ginge es nach Andy Warhol, wäre dieser Roman ein Werk der Pop Art par excellence. Es sind die schieren Oberflächen, in welchen die Tiefen liegen. Sei es in Gesten, Orten oder Worten. Und: eine jede der Figuren hat ihre “15 Minuten” innerhalb der romanesken Ökonomie. Bevor das Personal sich selbst oder gegenseitig abserviert. Balzac lacht.
Kurz: Peter Roseis “Globalisten” versammeln trefflich Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung.
Peter Rosei, Die Globalisten, Residenz 2014 (Link Pressestimmen)
Christiane Zintzen