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Die Suche nach dem Glam : Die Versagung

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Alles ist befleckt, alles hat Streifen
O meine trutschige Königin

there is no fun in what I do
if she's not there

Harald Schmidt. Im Bauerwartungsland. (Und bevor ich ihn noch mal verliere: der Welt-Artikel zu Pasolini. Mehr dazu später.)

Am Abend höre ich eine Frau, sie steht an einer Hauswand und schreit. Sie schreit, dass sie nicht psychisch krank sei, sie hätte da einen Attest, der das bescheinigen würde, es ist fast elf, es ist mitten in der Woche, hinter ihr stehen zwei hilflose Polizisten und nehmen irgendwas auf.

Selbstfeier der Armut, Selbstfeier des Verrücktseins. Wenn Kunst, dann welche?



Die Regressionen der Libido.
Freud, Vorlesungen zur Einführungen in die Psychoanalyse, XXII:
"Besonders die Rückkehr zu den ersten inzestuösen Objekten der Libido ist ein Zug, der sich bei den Neurotikern mit geradezu ermüdender Regelmäßigkeit findet."
"Ich habe (...) eine einzige Mitteilung gemacht, nämlich dass die Menschen neurotisch erkranken, wenn ihnen die Möglichkeit benommen ist, ihre Libido zu befriedigen (...) und dass ihre Symptome eben der Ersatz für die versagte Befriedigung sind."
"Ferner zeigen die Partialtriebe (...) eine große Fähigkeit, ihr Objekt zu wechseln, es gegen ein anderes, also auch gegen ein bequemer erreichbares, zu vertauschen; diese Verschiebbarkeit und Bereitwilligkeit, Surrogate anzunehmen, müssen der (...) Versagung mächtig entgegenarbeiten."

Andererseits die Klebrigkeit der Libido:
"Das Maß von unbefriedigter Libido, das die Menschen im Durchschnitt auf sich nehmen können, ist begrenzt."

"Der Konflikt wird durch die Versagung heraufbeschworen, indem die ihrer Befriedigung verlustige Libido nun darauf angewiesen ist, sich andere Objekte und Wege zu suchen. Er hat zur Bedingung, dass diese anderen Wege und Objekte bei einem Anteil der Persönlichkeit ein Missfallen erwecken, sodass ein Veto erfolgt, welches die neue Weise der Befriedigung zunächst unmöglich macht."
"Es bleibt also beim Konflikt zwischen Ich und Sexualität."

Ein französischer Spielfilm über die Konstellation: Mann bemüht sich um vergebene Frau. Er flimmerte im Wohnraum, von einem Projektor an die Wand geworfen. Melanie Kundera, die keinesfalls mit dem berühmten, inzwischen senilen tschechisch-französischen Schriftsteller verwandt war (leider nicht, wie sie fand) und ich, ihr heimlicher Liebhaber, der von einer Betrugsagentur geschickt worden war, saßen auf einem dieser breiten alten Sitzmöbel, dunkelgrüner Filz, spätes 19. Jahrhundert, und berührten uns immer mal wieder heimlich.

Alles an ihr schien hell zu sein. Hell und rund. Am meisten aber staunte ich über die Farbe ihrer Augen – sie waren tiefblau wie das weite Weltall. Wie muss es sein, solche blauen Augen zu haben? Wie ist es, morgens aufzuwachen, die Augen aufzuschlagen und aus so einem Blau heraus in die Welt zu schauen? Ist die Welt dann auch blau? Verfärbt sie sich?

Milena Kundera gähnte und streckte sich, ein Arm schob sich heraus, ihre rechte Schulter lag frei. Der kleine Rechtsanwalt, ein Mann mit halblangen, strohigen, mittelblonden Haaren, einer selbstsicheren Körperhaltung bei gleichzeitiger Zuneigung zu allen Rauschgiften, die sich auf dem freien Markt auftreiben ließen, versuchte, sich an die letzte Nacht zu erinnern, wand den Blick ab, der auf einer dunkelroten Chaiselongue auf der anderen Seite des Wohnzimmers hängen blieb, auf der mattschwarzen Kleidung, die überall im Zimmer verteilt lag.

Ich führte sie ins Schlafzimmer. Weiche Auslagen, dunkelblaue Laken; die Angst, verhaftet zu werden, war nahezu verschwunden.



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