[5.59 Uhr.
Stille.]
Stille.]
Seit fünf auf. Mußte mich aber erst zurechtfinden, so sehr, daß ich mir einen Café Crème bereitet habe, von dem ich dann schmeckte, es sei gar kein Kaffee; was es ist, weiß ich noch jetzt nicht. Aber man gewöhnt sich an den ein wenig arabischen Geschmack, Kardamom etwa, sehr schnell. Dann, nach etwas weiterem Herumsuchen, waren Briefe zu lesen, einer, der mich bewegt hat, über den ich hier indessen nichts schreibe, weil er von der intimen Liebe eines Freundes erzählt, von der ich nichts wußte, vieles aber ahnte, und die nun dunkel ausging, oder sagen wir: grau.
Ich bekomme von diesem Freund immer mal wieder einen Brief; es sind die schönsten Briefe, die ich von einem Mann je las; manchmal muß ich an Kafka denken, aber ohne seine Be- und Verklemmungen. Dann schrieb ein anderer, der Freund noch werden könnte, Der Dschungel seit einigen Jahren Freund freilich schon ist:Die Leute denken heute, sie müssten das Simulacrum ihrer selbst sein, merken aber nicht, dass sie das nicht ausdrücken können, weil dieses Simulacrum sie selber längst hinterrücks ausgedrückt hat.
Ich bekomme von diesem Freund immer mal wieder einen Brief; es sind die schönsten Briefe, die ich von einem Mann je las; manchmal muß ich an Kafka denken, aber ohne seine Be- und Verklemmungen. Dann schrieb ein anderer, der Freund noch werden könnte, Der Dschungel seit einigen Jahren Freund freilich schon ist:
Er hat sich entschieden, das nicht in Der Dschungel als Kommentar zu schreiben; deshalb halte ich ihn anonym. Jedenfalls bezieht er sich auf meinen gestrigen Eintrag zu >>>>Mittelmaß & Strukturen. In dessen Kommentarbaum findet sich >>>> etwas, das mich geärgert hat; auch darauf habe ich >>>>heute früh reagiert. Es gibt eine Art von Mißgunst, die mir zutiefst fremd ist; sie ist die genau andere Seite dessen, worüber ich gestern ein kleines bißchen verzweifelt war.
Das hält, Sie kennen das sicher schon, nie lange bei mir an. Mit Verzweiflungen ist es wie mit der Angst: Mut bedeutet, durch sie gut achternbuschig hindurchzustoßen, die Chance ergreifen, die man nicht hat. Zum Künstlertum haben die Münchhauseniaden immer hinzugehört, ein wenig genau so wie Ulen un Apen und Hoffart; wir dürfen uns das nicht nehmen lassen, daß wir Genies sind. Tun wirs, werden wir wieder Lakaien. Und Dalì hatte recht: Wer Genie lange genug spielt, wird eins. Er (sie) muß es aber durchhalten, wenn seine (ihre) inneren Genien nicht der allgemeinen Richtung entsprechen. Ich hätte gern ein Pronomen, daß b e i d e Geschlechter erfaßt; ohne das schlägts auf den Stil.
Der Brief des Freundes bewegt mich nun viel mehr.
Und was Diadorim schrieb: daß ich es mir herausnehme, Gedichte genau so zu schreiben, wie ich es will. Ohne mich von Erwartungen beeinflussen zu lassen, die an uns herangetragen oder von uns eingefordert werden. Schönes altes Wort, übrigens, fodern, einfodern; das hat was von Wischmopp. Die, also, von uns eingefodert werden. Was erwarten wir von Leuten, die aufgrund unserer Arbeit das schätzungsweise dreihundertfünffache dessen verdienen, was sie verdient, wenn sie einigermaßen angemessen bezahlt wird? Sie fodern von uns, ohne die sie nicht wären, Gefolgschaft. Behält man das vor Augen, dieses bizarre Verhältnis, gehts einem schon wieder ganz gut. Die Komik daran ist pervers, zugegeben, aber da. Und womit kennten sich Künstler wohl besser aus als mit Perversionen? Sind sie ihnen fremd, sind sie, als Künstler, schlecht. So einfach ist das. (Ob sie sie leben, freilich, oder nur sublimieren, steht auf einem anderen Blatt. Zu den Sublimierern habe ich nie gehört oder doch, aber als ich noch sehr jung war. Unterdessen lasse ich, glauben Sie mir, keine Sauerei aus.)
Ich möchte dem Freund noch antworten, werde ihn morgen, in Frankfurtmain dann, auch sehen. Wir werden sprechen. Also muß ich jetzt packen. Nehme ich das Typoskript des Traumschiffs nun mit oder nicht?
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Das hält, Sie kennen das sicher schon, nie lange bei mir an. Mit Verzweiflungen ist es wie mit der Angst: Mut bedeutet, durch sie gut achternbuschig hindurchzustoßen, die Chance ergreifen, die man nicht hat. Zum Künstlertum haben die Münchhauseniaden immer hinzugehört, ein wenig genau so wie Ulen un Apen und Hoffart; wir dürfen uns das nicht nehmen lassen, daß wir Genies sind. Tun wirs, werden wir wieder Lakaien. Und Dalì hatte recht: Wer Genie lange genug spielt, wird eins. Er (sie) muß es aber durchhalten, wenn seine (ihre) inneren Genien nicht der allgemeinen Richtung entsprechen. Ich hätte gern ein Pronomen, daß b e i d e Geschlechter erfaßt; ohne das schlägts auf den Stil.
Der Brief des Freundes bewegt mich nun viel mehr.
Und was Diadorim schrieb: daß ich es mir herausnehme, Gedichte genau so zu schreiben, wie ich es will. Ohne mich von Erwartungen beeinflussen zu lassen, die an uns herangetragen oder von uns eingefordert werden. Schönes altes Wort, übrigens, fodern, einfodern; das hat was von Wischmopp. Die, also, von uns eingefodert werden. Was erwarten wir von Leuten, die aufgrund unserer Arbeit das schätzungsweise dreihundertfünffache dessen verdienen, was sie verdient, wenn sie einigermaßen angemessen bezahlt wird? Sie fodern von uns, ohne die sie nicht wären, Gefolgschaft. Behält man das vor Augen, dieses bizarre Verhältnis, gehts einem schon wieder ganz gut. Die Komik daran ist pervers, zugegeben, aber da. Und womit kennten sich Künstler wohl besser aus als mit Perversionen? Sind sie ihnen fremd, sind sie, als Künstler, schlecht. So einfach ist das. (Ob sie sie leben, freilich, oder nur sublimieren, steht auf einem anderen Blatt. Zu den Sublimierern habe ich nie gehört oder doch, aber als ich noch sehr jung war. Unterdessen lasse ich, glauben Sie mir, keine Sauerei aus.)
Ich möchte dem Freund noch antworten, werde ihn morgen, in Frankfurtmain dann, auch sehen. Wir werden sprechen. Also muß ich jetzt packen. Nehme ich das Typoskript des Traumschiffs nun mit oder nicht?
(17.30 Uhr).
In fast einem Rutsch an meiner >>>> Schultens-Rezension gearbeitet; den Entwurf abgeschlossen; ihn umformatiert; erste Überarbeitung. Der Löwin einzelne Gedichte vorgelesen. Leise sie: Das stimmt. Das sind große Gedichte.
Jetzt sollte ich ausdrucken, bis zur Abgabe bleibt mir viel Zeit. Am liebsten anlysierte ich noch die Rhythmen; und weiß: Es werden Rätsel immer noch bleiben. Und bleiben. Zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Bedürfnis, Gedichte auswendig zu lernen. Wenigstens ein paar von ihnen.
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In fast einem Rutsch an meiner >>>> Schultens-Rezension gearbeitet; den Entwurf abgeschlossen; ihn umformatiert; erste Überarbeitung. Der Löwin einzelne Gedichte vorgelesen. Leise sie: Das stimmt. Das sind große Gedichte.
Jetzt sollte ich ausdrucken, bis zur Abgabe bleibt mir viel Zeit. Am liebsten anlysierte ich noch die Rhythmen; und weiß: Es werden Rätsel immer noch bleiben. Und bleiben. Zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Bedürfnis, Gedichte auswendig zu lernen. Wenigstens ein paar von ihnen.