
[Schnittke, Dritte Sinfonie (Vinyl, russische Pressung;
ich erinner mich, wie ich, im Moskau der frühen 90er,
diese Scheibe in einem Kramladen erstand, in dem man
auch Lebesmittel kaufen konnte. Und jetzt ein Wunder!
erklingt die Scheibe hier!).]
ich erinner mich, wie ich, im Moskau der frühen 90er,
diese Scheibe in einem Kramladen erstand, in dem man
auch Lebesmittel kaufen konnte. Und jetzt ein Wunder!
erklingt die Scheibe hier!).]
(9.37 Uhr.)
Ich kam heute früh einfach nicht aus dem Bett. Vielleicht doch etwas viel Wein gewesen. Also kein Training, statt dessen gleich an die weiteren Exzerpte >>>> aus dem Kjærstad. Zwischendurch die Veranstaltung von morgen >>>>angekündigt und über tiefreligiöse Komponisten nachgedacht, solche wie Schnittke, tiefreligiöse Künstler: daß es ihrer Zeitgenössischkeit, ihrer sagen wir Modernität überhaupt nichts nimmt, vielleicht sogar ein Fundament für sie ist. So meint es wohl auch auch, im Kjærstad, des jungen Walakers Vater: Wir werden das nie verstehen. Wir haben keine Sache, für die zu sterben sich lohnt. Wir haben nichts, das heilig ist. Exakt das ist der Vorwurf des fundamentalen Islams gegenüber dem Westen. Wobei ich glaube, daß das nicht stimmt, noch nicht stimmt. Denn wir haben die Kunst. S i e ist unser Glaube noch; und fürwahr kein geringerer als der an einen Gott oder an Götter/Göttinnen. Aber diesen Glauben säkularisiert, und macht also profan, zunehmend das Entertainment, das sich auch als profitorientierter Unterhaltungs-Pragmatismus bezeichnen ließe. Ein bißchen verkürzt, mag sein. Im zu wehren, ihm sich entgegenzustemmen, braucht es den Glauben oder aber sehr sehr viel Kraft.
Ich habe sie, diese Kraft, auch wenn mir manchmal etwas müde wird und ich an mir beobachte, daß ich anfange, abzuwinken: Leckt mich doch. Am nächsten Tag indes sitze ich bereits wieder am Schreibtisch und formuliere.
Ein gutes Argument für, nein, nicht das Buch, sondern den Text stammt ebenfalls von Kjærstad: Geschichten zu schreiben und zu lesen, entwickelt das Vorstellungsvermögen; und das ist wahr: entwickelt es mehr als der Film, weitaus mehr. Literatur macht uns innerlich reicher, als es das Bild vermag, auch in der Häufung als die laufenden Bilder eines Films. Gut, daß ich mir das sagen kann. Es nimmt die immer wieder verspürte Sinnlosigkeit meiner Unterfangen aus ihnen hinweg. Und das ist keine Frage, ob Internet oder Buch: Es geschieht in jedem Medium, in das die Dichtung dringt, so, daß sie Dichtung bleibt, etwa auch bei Godard, also im Film ganz ebenso, sofern er zum Wort v a r i i e r t, es nicht etwa bebildert.*******
Ich kam heute früh einfach nicht aus dem Bett. Vielleicht doch etwas viel Wein gewesen. Also kein Training, statt dessen gleich an die weiteren Exzerpte >>>> aus dem Kjærstad. Zwischendurch die Veranstaltung von morgen >>>>angekündigt und über tiefreligiöse Komponisten nachgedacht, solche wie Schnittke, tiefreligiöse Künstler: daß es ihrer Zeitgenössischkeit, ihrer sagen wir Modernität überhaupt nichts nimmt, vielleicht sogar ein Fundament für sie ist. So meint es wohl auch auch, im Kjærstad, des jungen Walakers Vater: Wir werden das nie verstehen. Wir haben keine Sache, für die zu sterben sich lohnt. Wir haben nichts, das heilig ist. Exakt das ist der Vorwurf des fundamentalen Islams gegenüber dem Westen. Wobei ich glaube, daß das nicht stimmt, noch nicht stimmt. Denn wir haben die Kunst. S i e ist unser Glaube noch; und fürwahr kein geringerer als der an einen Gott oder an Götter/Göttinnen. Aber diesen Glauben säkularisiert, und macht also profan, zunehmend das Entertainment, das sich auch als profitorientierter Unterhaltungs-Pragmatismus bezeichnen ließe. Ein bißchen verkürzt, mag sein. Im zu wehren, ihm sich entgegenzustemmen, braucht es den Glauben oder aber sehr sehr viel Kraft.
Ich habe sie, diese Kraft, auch wenn mir manchmal etwas müde wird und ich an mir beobachte, daß ich anfange, abzuwinken: Leckt mich doch. Am nächsten Tag indes sitze ich bereits wieder am Schreibtisch und formuliere.
Ein gutes Argument für, nein, nicht das Buch, sondern den Text stammt ebenfalls von Kjærstad: Geschichten zu schreiben und zu lesen, entwickelt das Vorstellungsvermögen; und das ist wahr: entwickelt es mehr als der Film, weitaus mehr. Literatur macht uns innerlich reicher, als es das Bild vermag, auch in der Häufung als die laufenden Bilder eines Films. Gut, daß ich mir das sagen kann. Es nimmt die immer wieder verspürte Sinnlosigkeit meiner Unterfangen aus ihnen hinweg. Und das ist keine Frage, ob Internet oder Buch: Es geschieht in jedem Medium, in das die Dichtung dringt, so, daß sie Dichtung bleibt, etwa auch bei Godard, also im Film ganz ebenso, sofern er zum Wort v a r i i e r t, es nicht etwa bebildert.
Heute vor vierzehn Jahren:
Seit 6 Uhr 55 des 30. Januars 2000
ist
Adrian Ranjit Singh v. Ribbentrop
ohne Nabelschnur auf der Welt.
Er sieht aus wie Ortnit Karlsson, und es mag wohl sein,
daß Dr. Lipom auf seine ironische Art dafür einen Teil der
Verantwortung trägt. Die Eltern wünschen dem Kleinen jedenfalls
Ortnits freche Lebensliebe.
ist
Adrian Ranjit Singh v. Ribbentrop
ohne Nabelschnur auf der Welt.
Er sieht aus wie Ortnit Karlsson, und es mag wohl sein,
daß Dr. Lipom auf seine ironische Art dafür einen Teil der
Verantwortung trägt. Die Eltern wünschen dem Kleinen jedenfalls
Ortnits freche Lebensliebe.
So schrieb ich damals an die Freunde. Das, von heute aus gesehen, wichtigste Ereignis meines Schriftstellerlebens. Es hat fast alle meine Perspektiven verändert. Ich danke Dir, mein Sohn. Und ich danke Deiner Mutter. Das ist unverbrüchlich.
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(17.15 Uhr.)
Mit den Kjærstad-Exzerpten durch, denke ich, nachdem ich zum Mittagsfrühstück bei der Familie, eben zum Geburtstag meines Sohnes war, über den Ansatz der Rezension nach; noch steht keine Zeile. Es gibt ein paar Motti zur Auswahl, das streicht mir Volltext aber dann sowieso wieder. Dabei finde ich Motti über Rezensionen nicht nur schön, sondern auch hilfreich. Ist aber komplett unüblich, seh ich auch ein. Nur bin ich halt nicht üblich. Das Stachelchen im Fleische. Das >>>>des jungen Walakers Lebensberauschtheit auch noch mit neunundfünfzig teilt.
In einer dreiviertel Stunde wieder rüber; abends Pizzeria-Essen, beim Napoletaner, was gut paßt. Morgen aber muß die Rezension fertig werden, schon, damit ich schnell wieder an das beauftragte Lektorat gehen kann: Es wartet jemand bangend.
Der Ansatz: Wie der ältereWalaker nackt auf dem Dach sitzt, weil er nur so einer Lösung des Problems nahzukommen meint, das das ganze Land bedroht (erschüttert noch nicht, weil man den Anschlag geheim hält); und wie er sich seiner Umbruchzeit erinnert und seiner damals entstandenen Aufzeichnungen, eines Jungen an der Schwelle zum jungen Mann. Die W-Potenz, Tuvalu, der Möglichkeiten-Sinn. Und dann erzählen, wie genial Kjærstad eine Jugendlichensprache entwickelt, die selbst mein Sohn, der ja nun vierzehn ist, als solche akzeptierte anders, übrigens, als >>>> Herrndorfs, die er für gekünstlelt hält. Man merkt immer, daß er schreiben will, wie wir sprechen. Das haut aber nicht hin. So daß man annehmen muß, den Ruhm hätten Erwachsene begründet, die auch nicht wissen, wie Jugendliche sprechen, sondern sich von ihren wahrscheinlich sentimentalen Annahmen leiten lassen. Kjærstad hingegen versucht erst gar nicht, etwas nachzuahmen, sondern, mit Aragon gesprochen, lügt die Jugendlichensprache wahr. Genau das wars, was meinen Sohn, als ich ihm vorlas, sofort überzeugt hat. Jetzt wartet er darauf, daß ich ihm das Buch freigebe. Ich muß erst noch die Rezension schreiben, - dann.
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Mit den Kjærstad-Exzerpten durch, denke ich, nachdem ich zum Mittagsfrühstück bei der Familie, eben zum Geburtstag meines Sohnes war, über den Ansatz der Rezension nach; noch steht keine Zeile. Es gibt ein paar Motti zur Auswahl, das streicht mir Volltext aber dann sowieso wieder. Dabei finde ich Motti über Rezensionen nicht nur schön, sondern auch hilfreich. Ist aber komplett unüblich, seh ich auch ein. Nur bin ich halt nicht üblich. Das Stachelchen im Fleische. Das >>>>des jungen Walakers Lebensberauschtheit auch noch mit neunundfünfzig teilt.
In einer dreiviertel Stunde wieder rüber; abends Pizzeria-Essen, beim Napoletaner, was gut paßt. Morgen aber muß die Rezension fertig werden, schon, damit ich schnell wieder an das beauftragte Lektorat gehen kann: Es wartet jemand bangend.
Der Ansatz: Wie der ältereWalaker nackt auf dem Dach sitzt, weil er nur so einer Lösung des Problems nahzukommen meint, das das ganze Land bedroht (erschüttert noch nicht, weil man den Anschlag geheim hält); und wie er sich seiner Umbruchzeit erinnert und seiner damals entstandenen Aufzeichnungen, eines Jungen an der Schwelle zum jungen Mann. Die W-Potenz, Tuvalu, der Möglichkeiten-Sinn. Und dann erzählen, wie genial Kjærstad eine Jugendlichensprache entwickelt, die selbst mein Sohn, der ja nun vierzehn ist, als solche akzeptierte anders, übrigens, als >>>> Herrndorfs, die er für gekünstlelt hält. Man merkt immer, daß er schreiben will, wie wir sprechen. Das haut aber nicht hin. So daß man annehmen muß, den Ruhm hätten Erwachsene begründet, die auch nicht wissen, wie Jugendliche sprechen, sondern sich von ihren wahrscheinlich sentimentalen Annahmen leiten lassen. Kjærstad hingegen versucht erst gar nicht, etwas nachzuahmen, sondern, mit Aragon gesprochen, lügt die Jugendlichensprache wahr. Genau das wars, was meinen Sohn, als ich ihm vorlas, sofort überzeugt hat. Jetzt wartet er darauf, daß ich ihm das Buch freigebe. Ich muß erst noch die Rezension schreiben, - dann.