Was mich zur Zeit umtreibt, gerinnt mir nicht zu Sprache. Oder nur, wie hier, zur einfachen Feststellung des Umstandes selbst. Mit Sprache meine ich die mir eigene literarische. Warum das so ist, ist mir, naturgemäß, schleierhaft. Was die Reaktionen auf mein Schreiben angeht, darüber denke ich nach als eine mögliche Ursache – so war die letzten Monate alles dabei, würde ich mal sagen, Beschimpfungen und auch Belobigungen von Laien ebenso wie kritische Anerkennung meiner Arbeit durch Fachleute, wenngleich alles zusammen genommen für den Moment noch nichts Faktisches zeitigt. Geduld ist gefragt. Arbeit. Interessant dieses Bild: meine Arbeit stockt, weil das mich Umtreibende mir nicht zu Sprache gerinnt. Die direkteste Antwort auf die Frage nach dem Warum ist mir allerdings die, nach Jahren der konkreten Arbeit an meinem Roman nun zunächst dessen Veröffentlichung zu brauchen, schlicht der Wertschätzung wegen, um frei wieder arbeiten zu können, auch an ganz und gar anderen Texten. “Nimm dich wichtiger”, sagte mir mal jemand, “schreib über Dich, nur das wollen die Menschen lesen, die großen Würfe sind literarisch doch ohnehin längst getan.” Ich weiß nicht mehr, was ich genau antwortete, so etwas wie daß der Schriftsteller alle Wirklichkeit nimmt und sie neu zusammensetzt, aber ich weiß, wie mir diese Ansicht querging, daß nämlich alles Große bereits getan ist und wir alle nur Epigonen seien, denn wenn das stimmte, wäre dann die ganze literarische Arbeit denn nicht nur Dienstleistung? Ein Produkt wie andere auch? Ja, das wäre sicher so, aber allein der Umstand, sich eben dem zu erwehren, ist zusätzlicher Grund genug, zu schreiben. Doch noch stockt mir die Gerinnung und nichts wird mir fließend, wenngleich ein schräges Bild aus Worten schon einmal ein Anfang ist.
Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen! : Stockende Gerinnung
der goldene fisch : Sylvia Geist : Feuerlager
Oktober, wir lachten noch draußen
über die Fallen, die aus Komposita
jedes Kind basteln kann, als ihr
Zeppelin im Windlicht landete.
Die kenne ich, sagte ich, gestern
tauschte sie ihren Platz im Nest
gegen einen auf dem lauen Mond
über der Haustür, so vermisste sie
den Sommer, jetzt ist sie Urne
eines hochkalorischen Kicks
oder Wärmewabe, je nachdem,
was du vorziehst. Das Flämmchen
knisterte, roch nach Lagerfeuer,
wir sahen, etwas blieb liegen
von der Pilotin im Feuerlager,
das schien wie eine Laterne
aus unbeeindrucktem Papier,
und was am Ende zu stehen hatte,
die Hornisse, ging und ging lange
auf im Rauch des Flugapparats.
GrammaTau : Nachtkrapp (alternatives Intro)
Tainted Talents (Ateliertagebuch.) : Das Zerren der Listen
(Die
Guido Rohms gestammelte Notizen : Ute Paulsen
particles : kerouac
alpha : 6.55 — Nehmen wir einmal an, ursprünglichem Code einer Seeanemone würde weiterer Code zugefügt, eine sehr kurze Strecke nur, sagen wird Jack Kerouacs Roman The Town and The City mittels Nukleobasenpaaren. Was wäre zu sehen? Inwiefern würde Jack Kerouacs Text Wesen oder Gestalt einer Seeanemone berühren? Würde der Text von Seeanemone zu Seeanemone weitergereicht, würde er sich selbst nach und nach verändern, würde er vielleicht entlang der Küstenlinien wandern? Seit gestern Abend, ich habe geträumt, sind menschliche Personen denkbar, die nur zu dem einem Zweck existieren, nämlich Ohren -, Augen -, Hand -, Arm — oder Beinsträuße zu durchbluten. Unheimliche Sache. — stop
taberna kritika - kleine formen : 112
die bassline
ist das micro manifest
des jetzt
des alles
und die wangenknochen
die problemzonen
ihres mörders
ich will das alles
eliza
den fluch ihrer elefantenhaut
die gefässe
des exotischen gartens
abgelegt in: disco (dis/co) / flarf disco
in|ad|ae|qu|at : E. A. Poe: Fall-Sucht | crisis of fancy
⇒ Aus dem Gordon Pym
… but presently I found my imagination growing terribly excited by thoughts of the vast dephts yet to be descended, and the precaious nature of the pegs and soapstone holes which were my only support. It was in vain I endeavored to banish these reflections, and to keep my eyes steadily bent upon the flat surface of the cliff beore me. The more earnestly I struggeld not to think, the more intensely vivid became my conceptions, and the more horribly distinct.
At length arrived that crisis of fancy, so fearful in all similar cases, the crisis in which we begin to anticipate the feelings with which we shall fall – to picture to ourselves the sickness, and dizziness, and the last struggle, and the half swoon, and the final bitterness of the rushing and headlong descent.
And now I found these fancies creating their own realities, and all imagined horrors crowding upon me in fact. …
And now I was consumed with the irrepressible desire of looking below, … I threw my vision far down into the abyss. For one moment my fingers clutched convulsively upon their hold, while, with the movement, the faintest possible idea of ultimate escape wandered, like a shadow, through my mind – in the next my whole soul was prevaded with a longing to fall; a desire, a yearning, a passion utterly uncontrollable.
Edgar Allan Poe: Narrative of A. Gordon Pym (1838) – The Complete Tales & Poems– New York, Vintage, p. 875
***
NB 1: Sog der Leere. Kellers Grüner Heinrich: Schreck des Blicks in den Abgrund der Abstraktion. Vertigo der Moderne. Schwindel. Vertige.
NB 2: Trivialer Weise haben wir in|ad|ae|qu|at echt vergessen, dass Zitate simpel aus Netz-Volltexten Copy-Pastierbar sind. Bekanntlich schreiben wir ja grässlich schlecht ab . – Tröstlich womöglich ist die Bemerkung Walter Benjamins über den Wert der Abschrift und des eigenen Exzerpts. (Bibliothèque Nationale, Paris)
***
isla volante : algunos
heute sind wieder alle da und blicken auf das meer hinaus.
::¦”..”´´`..:…¦..-¨…¨¨.¨¨..¦´´~..-.-……___..¦””…`´..`¨¨.–.¨¨`´
nach dem sturm scheint einiges verändert.
rheinsein : Diderot über den Rhein
„Le Rhin et la Meuse sont les deux principales rivières; elles arrosent le pays ; il faut y joindre l’Escaut, le vieux Issel, le petit Issel, l’Amstel, qui a donné son nom à Amsterdam. A mesure que les rivières s’avancent dans le pays, leur lit devient plus majestueux. Le Rhin, ce fleuve si grand et si fameux, se perd dans les sables de Catwik, et n’arrive pas à la mer.“
„Ils font régulièrement leurs quatre repas : le matin, c’est le café ; entre une heure et deux, c’est le dîner ; sur les cinq à six heures du soir, c’est le thé ; on soupe à neuf. On n’y connaît guère de vins français que le Bourgogne, qu’on boit pur dans les maisons riches. On a du vin du Rhin de 50, de 60 et même de 100 ans. Les grand-pères font en vins du Rhin les provisions des petits-fils de leur enfans.“
„A propos de la grosseur et de la grandeur de l’homme, le docteur Robert dit qu’il y avait à peu près quatre-vingts ans qu’il existait à Lekerkée, un homme assez maigre, nommé Gerrit Baastransée, pêcheur de son métier, qui avait huit pieds du Rhin de hauteur, et qui pesait cinq cents livres.“
(Zitate aus: Denis Diderot: Voyage en Hollande, 1773)
Tainted Talents (Ateliertagebuch.) : Eheleben, 3
Die Dschungel. Anderswelt. (Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop) : Zwanzigster Brief nach Triest. (Briefe nach Triest, 23).
Du wirst wohl, Hohe Frau, verstehen,
mittwochmorgens 5.50 Uhr,
Haydn, Sinfonie Nr. 87 A-Dur,
Begreife das bitte, wenn ich mich auf diese Weise schütze.
Ich war so außer mir! Hatte meinen Bericht abgeschlossen, den an Dich, über Dein Erscheinen, hielt es am Schreibtisch nicht länger aus. Schließlich wußte ich, daß Dein Rückflug für den Abend gebucht war. Wenn es nun stimmte, daß Du nach Berlin umgebucht hattest, was lag da näher, als meinerseits - mit der SBahn erst und ab Beusselstraße mit dem Bus - zum Flughafen zu fahren? Vielleicht paßte ich Dich an einem der Checkins ab. Also schaute ich nach für den Abend annoncierten Triestflügen. Nur zwei schienen mir preislich infrage zu kommen, beide mit Zwischenstop in München, einer um 19.25, der andere um 20.15 Uhr; das war zu schaffen. Die anderen, die unvergleichlich teurer waren, hätten Dich ebenfalls und sogar mehrfach zwischenstoppen lassen. Allerdings bestand genauso die Möglichkeit, daß Du über Venedig fliegen würdest und von dort für die kurze Strecke nach Triest den Zug nehmen. Also suchte ich auch solche noch heraus. Als ich genügend Abflugzeiten beisammenhatte, um den ganzen Abend in Tegel zu verbringen, brach ich auf.
Zwar meinte ich dort immer mal wieder, während ich hier oder dort an einer der Espressobars saß, Dein Lachen zu hören, auch das Lachen Jaumes oder Guillems, jedenfalls von Freunden, die Dich zum Abflug begleiteten. Aber das war derart offensichtlich eine Täuschung meiner Sehnsucht, daß ich bereits gegen neun abermals im Bus saß, einfach weil ich einsehen mußte, wie im Wortsinn irre mein Unternehmen gewesen war. Außerdem verband es sich auf eine viel zu beklemmende Weise, wenn ich vor den Checkins stand oder an den Sicherheitskontrollen den Passagieren zusah, mit Deinem wirklichen Abflug vor vor dreieinhalb Wochen, verband sich mit meinen inneren Bildern davon, die sich seit diesem furchtbaren Sonnabendmorgen schmerzhaft schillernd in mir erhalten haben. Es sind ungenähte innere Narben, deren Grate sich erleuchten, bevor sie wieder aufzuplatzen drohen, als wären es vulkanische Spalten. Die es eben auch sind. - Dein letztes Lächeln unsres Uns, das noch mir gegolten, all unsrer Dus, Dein Winken. Abermals Dein Lächeln, nunmehr das wirklich letzte. Und daß wir uns doch aber wiedersehen würden. Und wie ich, als ich in die Arbeitswohnung zurückgekommen war, in diese Erschütterungen tatsächlich ausbrach, weil etwas in mir wußte, alles, alles vorherwußte. Es bin doch gar nicht ich gewesen, der sie bewirkte. Doch um noch davonzulaufen, dazu war es für mich längst zu spät. Ich konnte mich nur noch stellen. Auch davon legen, sozusagen, meine Briefe Zeugnis ab.
Als ich wieder heimkam und Skype öffnete, fand ich eine Nachricht meiner Müchener Netzfreundin: ob ich Dich denn wirklich am Nachmittag gesehen hätte..? Was sollte ich ihr antworten? Auch die Löwin würde mich das fragen. Besser, ich schaltete Skype wieder aus. Du, die Du seit Deiner Trennung von mir nicht ein einziges Mal mehr drin aufschienst, würdest spät nachts sowieso nicht mehr und erst recht nicht hineingehen, da Du zuhause doch gerade erst ankämst.
Natürlich trank ich wieder, aber nur einen Liter Wein - bis mir die Augen ausgetrocknet zufielen, während ich noch immer einen Film nach dem anderen sah, um mich abzulenken, aber nicht mal mehr die Plots kapierte. Ich möchte wirklich nicht wahnsinnig werden.
Jedenfalls ging ich vor Mitternacht ins Bett, stand eben auf, halb sechs, vollzog meine Morgenroutinen (Musikcomputer an, Pavoni an, Laptop an, Latte macchiato, Arbeitsdateien auf, Musik an wie kam ich bloß auf Haydn? jetzt hör ich Debussy: Nuages e Fêtes... , nun nur noch die Morgenpfeife gestopft und, während ich am Mundstück ziehe, den Tabak angezündet). Da entschloß mich also, ja, es ist ein Entschluß, Dich für die Vision zu halten, die Du wahrscheinlich warst. Man muß sie doch nur als eine Folge meines Zustandes vom Vortag verstehen, Du weißt schon, Liebste, in den Arkaden der Schönhauser Allee. Davon bist Du ein Flashback gewesen. Alleine das, Herz, ist alarmierend genug. Ich muß das in den Griff bekommen, mein Herz in den Griff bekommen.
Also denke ich an Lenz, ganz, wie ich es vorgehabt hatte. Zu erzählen gibt mir Struktur.
Baia Domizia. Damals war er noch sehr jung, kaum dreißig. Noch war er nicht verheiratet, aber schon mit der Frau liiert, seiner dann ersten; übrigens war sie bereits schwanger.
Man schickte ihn, nach dem Zürcher Sondierungsgespräch, erst nach Neapel direkt. Es ging darum, in einem der seinerzeit ziemlich verwahrlosten Ladenruinen der unteren Galleria Umberto I eine Schweizer Dependance aufzubauen, was insofern heikel gewesen war, als Schweizer Banken solche Zweigstellen im Ausland gar nicht halten dürfen, jedenfalls durften sie es nicht nach damaligem Schweizer Bankengesetz. Also sollte über eine für sie von der Deutschen Bank gegründeten Tochtergesellschaft gehandelt werden. Die Absprachen waren nie offiziell, meines Wissens gibt es auch keine Papiere, die das Verhältnis nachweisen könnten. Um so profitabler die Summen, die verhandelt wurden.
Auf Lenz war die Wahl seines hochleistungsfähigen Ehrgeizes wegen gefallen; der junge Mann habe die, dachte man, nötige Gier, um bei realistischer Aussicht auf gute Gewinne die Regeln schon mal beugen zu lassen. Außerdem sprach er fließend Italienisch. Schon am ersten Abend war dann, in Baia Domizia, ein silbernfarbner Koffer auf dem langen glänzenden Ebenholztisch aufgeklappt. Die gebündelten, vermittels grüner Bauchmanschetten penibel zusammengehaltenen Scheine sahen wie frisch aus der Presse aus. Daß sie aus ihr auch grad gekommen waren, darüber sprach man nicht. Sie sollten noch in derselben Nacht nach Mailand gebracht werden, von dort in die Schweiz.
Lenz begriff da erst. Er war von Schwarzgeld ausgegangen und/oder von Geldern, deren Erwirtschaftungsgrund in einer Dämmerungszone wurzelten, in auch die man klugerweise kein Licht wirft. Doch dies hier war anders; von einer nur Dämmerung konnte nicht auch nur ungefähr gesprochen werden. - Tun Sies? fragte der Commandante und fügte bei: Zehn Prozent für die Bank. Fünfzehn", sagte Lenz. Der Commandante lächelte. Zwölf." Dreizehn."Zwölf."
Bei dem Gespräch war außer den beiden Personenschützern, die diskret, geradezu gesichtslos je in einer Tür standen, und außer Lenz sowie dem, sagen wir, Padrone noch dessen italienischer Anwalt zugegen und bizarrerweise ein Geistlicher, den jener Monsignore nannte. Es war dem Commandante, schien es Lenz, fast z u deutlich um dessen Segen zu tun.
Jemand anderes als Lenz hätte freilich versucht, aus der Sache irgendwie herauszukommen. Aber Du mußt verstehen, er war noch so jung. Er wollte Geld machen, vor allem Geld machen; die enge harte Kindheit saß ihm nicht nur im, Geliebte, Nacken. Außerdem hatte er ja, wenn auch nicht schriftlich bezeugt, das Interesse seiner Schweizer Mentoren. Die würden ihn natürlich nicht schützen, wenn er aufflog. Falls aber n i c h t... - Es hätte einen enormen Mut gekostet, wäre fast lebensgefährlich, dachte er, gewesen, jetzt noch aufzustehen und zu sagen: Nicht mit mir. So saß er um dreiundzwanzig Uhr im Hubschrauber, gegen Mitternacht im Flieger und morgens um vier in einem Schweizer Leihwagen, den Koffer unversteckt auf dem Rücksitz.
Man winkte ihn durch.
Sowas kann, das mußt Du verstehen, süchtig machen. Es ist rauschhafter als ein jeder Bangeesprung.
Erzähl n i c h t s, sagte seine spätere Frau, als er sie im Büro traf, zuerst wieder dort. Je weniger wissen, desto besser. Aber was dabei ist herausgesprungen?
Als er die Summe nannte, fiel sie ihm um den Hals. Fick mich, sagte sie, aber gleich, hier, jetzt. - Zum ersten Mal war sie von ihrem späteren Mann begeistert, zum ersten Mal fand sie ihn nicht nur praktisch.
Aber sie w a r halt Pragmatikerin. Er fuhr noch drei Mal oder vier. Dann sagte sie und wandte sich an ihren Vater: Es wird zu gefährlich, denk dran, wie bekommen ein Kind. Da war sie schon im achten Monat, am Anfang dieses achten Monats.
Von Lenz fielen Gewichte, von denen er gar nicht gewußt hatte, wie schwer sie gewesen waren.
Er wechselte, in gegenseitigem Einverständnis, von der Deutschen Bank zur Schweizer, erst Fondsverwaltung, dann bald Institutional Trading. Die Series 3 und 7 hatte er längst in der Tasche. Wie ich schon sagte, er war begabt, vor allem willig. Was man ihm sagte, tat er; er brauchte nur das Gefühl, Deckung zu haben. Erst 90.000, dann 120.000 jährlich - Schweizer Franken, wohlgemerkt -, schließlich bereits 150.000. Da war er noch nicht einmal dreißig oder vielleicht etwas darüber. Das läßt sich steigern, sagte seine ihm nun schon angetraute Frau. Nebenan johlte der Kleine. Wir sollten uns selbständig machen. Sie dachte wohl wieder an die Galerie in Neapel; selbständig hieß: in institutionellem Auftrag. Nicht selber handeln, sondern vermitteln. Rechtlich wären wir damit auf der sicheren Seite. Trotzdem: Was und wie plaziert wird, hinge nicht länger von einer Hausmeinung ab, auf die man dennoch Zugriff hätte. Denn die Frau dachte gar nicht daran, ihre eigene Position in der Bank aufzugeben. Die ließe sich im Gegenteil gut nutzen.
Und so weiter.
Auch ihre Familie hielt den Schachzug für klug; um Unterstützung mußte die Frau gar nicht bitten.
Du verstehst nun, was ich damit gemeint habe, daß Lenz zur Lydierin geflohen ist, sie ihn gleichsam erlöste. Auch wenn jetzt alles zusammenbrach, das er aufgebaut hatte. Aus der Verantwortung für den Konkurs wandt sich seine faktisch nun gewesene Frau schnell heraus, schon, weil er auf keine Klageschrift reagierte, zu keinem der Termine erschien. Es wäre ihm, derart in seiner Liebe schwebend, auch objektiv nicht mehr möglich gewesen, eine Sprache zu sprechen, die seelenlos ist.
Von seiner Ehe ließ Lenz nichts als Dinge zurück: auch sein Sohn war längst eines. Letztlich war er ihm fremd geblieben. Wen das Geldgeschäft hat, der kennt keine Liebe.
Auch aber Gerald möchte Bankkaufmann werden und schließlich in die Anlageverwaltung. Eines Tages, sagt er zu Wiebke, bauen wir ein Haus am Meer. Man sieht noch die zweidrei Einstiche, dort, Schönste, auf seiner rechten Fingerkuppe; nur e i n Tropfen Bluts reicht nicht für die Signatur.
Keine Woche später steht der geleaste MX5 vor der Tür; Lenzens Ziel ist selbstverständlich, ebenfalls als Cabrio, ein BMW M4. Für das Wochenende behält er die alte Kawasaki, eine 1000er; Wiebke liebt diese Maschine. Solch ein Machtgefühl schenkt sie einem.
Erst nach zwei Jahren beginnt die junge Frau zu zweifeln. Doch Gerald, da, kann schon nicht mehr auf sie hören, von der Großsucht zerfressen, wie er längst ist. Dennoch glaubt sie und glaubt sie an ihn. Sie glaubt an einen Eigentlichen - den, der er war. Der muß doch noch irgendwo sein! Seine Hand auf ihrem Bauch...
Jahre wird das so gehen, fast ein Jahrzehnt einer riesigen, in ihr, Mystifikation. Davon läßt frau nicht ab, wenn sie doch so viel Seelenkraft aufwenden mußte, um sie zu errichten und sogar schon den Rohbau immer und immer wieder vorm Einsturz zu bewahren. Außerdem gehen in letzter Zeit Geralds Geschäfte schlecht. Damit läßt seinen Mann nicht allein, wer ihn doch noch liebt. Zumal er, dagegen läßt sich nichts sagen, nach wie vor für ihr Auskommen sorgt. Er hat halt nicht mehr viel Zeit, geht morgens um neun aus dem Haus, kommt selten vor zehn Uhr abends heim, manchmal erst nach halb elf, auch an den Wochenenden. Entwickelt nach innen eine seltsame Form von Geiz, indes er nach außen den Krösus spielt dessen moderne, ziemlich schnittige Replikantenform. Er will scheinen, ich will bewegen, wird Wiebke in einem verzweifelten Brief an ihre Mutter schreiben. Sie schickt die Email aber nicht weg, sondern legt sie in einer Datei ab, die voll von solchen Briefen ist.
Übrigens hat sie, Wiebke, zu dichten begonnen. Manchmal legt sie für Gerald einen Ausdruck auf den Küchentisch. Selten guckt er drüber. Wenn, dann räuspert er sich und schiebt das Blatt schnell beiseite. Es wird Zeit, daß du erwachsen wird, außer sowas kriegst du ja nichts auf die Reihe. Anschaffen tu immer nur ich. Er sagt wirklich anschaffen. Daß sie deshalb zu weinen anfängt, schlägt dem Faß den Boden aus. Ich habe echt keine Zeit für so einen Quatsch, bin wirklich völlig erledigt.
Er steht auf, geht ins Wohnzimmer und schaltet den riesigen Bildschirm an. Man wird doch wohl ein Recht auf seine Erholung haben! Übrigens hab ich den Skiurlaub gebucht.
Welch ein Weg, Du Innige, also, der Lenz bis in sein Grenzhäuschen führte! Lange sieht er die Mauer an, steht nur in der Tür und guckt. Wie sie zerbröckelt hier und dort und wie sie anderswo unrückbaubar, scheint es steht, wo noch vor kurzem nur Wiese gewesen.
Er raucht, neuerdings raucht er, und tritt die Zigarette dann aus, bevor er sich ins Haus umwendet, der unrasierte Mann. Da weiß er noch nicht, daß Du zu ihm zurückkehren wirst, Du weißt schon, nach Jessirs Tod und im vierten Monat schwanger.
(8.37 Uhr.)
Jetzt bist Du wieder in Triest. Wirst gestern nacht noch bis in die Puppen erzählt haben; was ihr alles getan habt, Jaume, Godi, Guillem und Du; wie ihr oben in der Sagrada familia herumgeklettert seid und daß es nicht stimmt, auf den Ramblas sei es gefährlich. Von der Seilbahn wirst Du erzählen, vor allem von der herrlichen Aussicht aufs Meer. Und daß Ihr zweimal in Szeneclubs gewesen seiet, bis in die Morgenstunden habest Du getanzt. Das weiß er schließlich, wie Dus liebst, Ewigkeiten für Dich alleine zu tanzen. Für Dich alleine, ja. (Alles ist Symbol.)
Über die Szene im Güell freilich schweigst Du. Sie bedeutet ja auch nichts, gar nichts, nichts für Euch: So sehr aus Luft war sie gewirkt. Von ihrer Folge weißt Du noch nichts. Vielleicht hat sie auch gar keine Folgen, so sehr ich sie Dir wünschte. Laß uns, Geliebte, vier Wochen warten; dann wissen alle wir mehr. Ob ich mich irrte. Die Frage ist: Läßt sich Wirklichkeit erfinden. Seit ich denken kann, treibt sie mich um:
Entscheidungen und Achselhöhlen,
Wissen und Visionen.
Alban
(Britten, Les Illuminations.)
Lenas Talisker, Cigarillo und
Brittens Sinfonia da Requiem.)
Du fragst mich, weshalb ich diese Anrede wählte, Hohe Frau, und wendest ein, so eine habe mit Dir doch gar nichts zu tun. Eben, sage ich, genau deshalb. Denn schau doch, Geliebte, so oft ich nun schon Liebste schrieb, Herz, sogar mein Herz und welche Anrufungen sonst ich verwandte, so sind das doch alles längst Lügen geworden, wenn auch solche aus Not; jedenfalls machte ich (und werde dennoch weitermachen) mir damit etwas vor, besonders auch mit unseren tatsächlichen Anreden Innigste und Nahste. (Nein, ich habe weiterhin keinen unserer Briefe wiedergelesen; wenn ich sie nenne, ist das reine Erinnerung, eine seelisch längst uminterpretierte womöglich).
Faun und Sìdhe sind geworden, was sie waren: von Anfang an Legende. Nicht so aber Hohe Frau: Der Ruf stellt her, was ist. Vestalinnen klingen da mit, Hüterinnen ecco! des heimischen Herdes, mithin der Ehen, auch Hohepriesterinnen alles Geschöpfe, die, zumal für einen wie mich, unberührbar bleiben müssen, um die Gefahr jedenfalls seines Lebens, mindestens des Seelenheils. Du kannst ja lesen, wie ich büße, was ich an Dir gesündigt habe. Jemand wie ich wird von der Reinheit ausgeschlossen. Dieses Bewußtsein teile ich mit Lenz, dessen Rolle uns, in dem Roman, überhaupt klarmacht, welch eine Magie Du hast, also die Lydierin hat. Ich selbst, anders als er, wäre ein schlechtes Beispiel, da ohnedies zur Phantastik geneigt. Er indessen, der Geld- und von daher Oberflächenmensch, der er damals gewesen?
Doch was, frage ich mich, wäre, begegnete eines Tages auch Gerald einer Sìdhe und sie an ihm erreichte, was Wiebke so viele Jahre vergeblich versucht hat? Das wäre nun wirklich tragisch. Allerdings öffnete es unsere schon wieder nächste Geschichte und zeigte, wie sich zwar nicht alles wiederholt, aber vieles in ähnlichen Formen neu auftritt, dabei neu aber jedes Mal i s t. Wir griffen ins Herz der Liebe mitten hinein, bloß, daß seine Kammern mit Verlusten gefüllt sind. Denn wo eines geht, bleibt ein andres zurück; dem läßt sich, scheint es, nicht entkommen. Diesmal traf es mich und traf die Meinen. Den Bußgrund dafür, daß ich einen Herd umstoßen wollte, büßt die Löwin nun mit, so wirklich unschuldig sie an alledem ist. Und nicht so tief, aber doch a u c h, leiden weitre mit ihr und für sich selbst allein.
Vielleicht, daß die eine und/oder andere Formulierung, das eine und andere Bild, das in diesem Roman entsteht, sie ein wenig, nur ein wenig entschädigt. Denn nicht nur Du hast Teil an ihm, sondern auch sie haben es, und nicht nur ein bißchen. Ich alleine, mit meinem, sofern für mich nur, lächerlichen Liebeskummer, rechtfertigte ganz sicher kein Buch, sondern nur, wenn es über mich Einzelnen hinausweist: er, dieser Kummer, muß mit allen, die empfinden - mit, sagen wir. nahezu allen -, Gemeinsamkeit haben, nur daß ich es austragen kann, privilegiert, wie mein Beruf mich macht. Mir sagt kein Vorgesetzter, reißen Sie sich mal zusammen!, niemand kann mich zur Verdrängung zwingen. Ich verrate mein Unglück, sagte dagegen die Löwin, die zwar ebenfalls >>>> die Möglichkeit des künstlerischen Ausdrucks, aber doch auch eine große Verantwortung für andere Menschen hat. Deshalb, wie wohl die meisten, muß sie ihr Unglück eben verraten, darf sich ihm gar nicht in einer so radikalen Weise stellen wie ich mich dem meinen, der ich mir sogar den größten Luxus leisten könnte: an der Vergeblichkeit zugrunde zu gehen. Es bliebe doch etwas, nämlich mein Roman, davon zurück nicht anders fast, als wie von Vogel und Kleist, deren beider Freitod bis heute seine Dichtung, gewissermaßen nachträglich, mit einer auch persönlichsten, der radikalsten insofern, Konsequenz durchglüht. Es hat seinen Grund, daß die Abschiedsbriefe dieser Liebenden zur Weltliteratur zählen, gar nicht anders als Kafkas Brief an den Vater.
Nein, keine Sorge, wirklich, Schönste! Allerschönste, die mir je begegnet! Als Vater, der ich selbst bin, steht mir eine solche Option, ich sagte es schon, nicht zur Verfügung. Aber den Gedanken kann ich haben und hier, sogar indem ich ihn verwerfe, bis ins letzte (Letzte, mit einem großen L) ausgestalten und bis ins vorletzte auch leben. Für Leser, vielleicht, bezieht sich draus Trost, so wie Tragödien sie läutern, für die Menge nicht vielleicht mehr solche auf dem Theater, aber im Film. Denn nicht sein zu können ohne die andre, ohne einen andren, sagt auch etwas über den, der es zugibt, und kann alle die hoffen lassen, die es zugeben nicht dürfen, weil sie Verantwortung tragen.
(18.25 Uhr,
Walton, Cellokonzert.)
Heute hat es, Liebste, zum ersten Mal geschneit, kurz nur indes, schon schoß scharfer schräger Regen hernieder; aber die Schneeflocken, bevor es sie zerprasselte, waren rund und weich wie Daunen. Und dann finde ich immer noch Spuren, nächste, von Dir. Heute war es Dein Shampoo, Garnier, und eine milchige Lotion Spülung; die Plastikflaschen standen ganz oben auf dem Regal links vor der Tür zu meinem kleinen Bad. Ganz nebenbei begreife ich deshalb, wie schwierig es für einen Täter sein muß, den Tatort zu säubern.
Momentlang dachte ich, die flachen hellen Flaschen zu rahmen. So vieles weist erneut auf Bilder, konkrete, nicht solche aus Sprache. Lenz hat schon recht mit der Mauer.
Immer noch steht der nun schon elend trockene Blumenstrauß auf dem Tisch. Aber ich habe für nächsten Mittwoch eine Putzfrau bestellt; dann wird es auch mit den letzten, mir von Dir verbliebenen Haaren vorbei sein, und ich werde das Bettzeug endlich waschen, in dem wir beisammen geschlafen haben. Wobei ich zudem übermorgen verreisen werde, erst nach Frankfurtmain, um Paulus Böhmer seinen Hörstück-Part einsprechen zu lassen, und nächstentags nach Karlsruhe zu einer Lesung. Da werde ich aber das habe ich Dir schon geschrieben die junge Dichterin wiedertreffen, der ich Deinetwegen, bevor Du nach Berlin kamst, abgesagt habe. - Auch darum, Geliebte, die Anrufung, darum Hohe Frau, damit andere Frauen, vielleicht auch wieder die Löwin, einen realen Platz in meinem Leben haben können. Gegen eine Hohepriesterin werden sie gar nicht angehen wollen, gegen die pure Imagination; an ihr ist keinerlei Fleisch, erst recht ist kein Kind von ihr zu befürchten, das wirklich meines wäre und darum meine Gegenwart von ihnen abziehen würde. Ja, warst Du nicht sogar von Anfang an als eine Elbin gedacht, ich als Dein Faun, und wir hatten uns drin nur getäuscht, daß sich Märchen verwirklichen lassen? Ich dachte das mehr noch als Du. So war denn alles sowieso Dichtung
und wird es bleiben,
findet aber erst nun in die Form.
Form ists, und war es, Geliebte, woran ich mich halte und hielt. Darum trage ich jetzt ein mönchisches Schwarz, als nicht aber Anzug. Selbst der wär mir heute eitel.
A.
(18.42 Uhr.)
Die Suche nach dem Glam : Ausbeularbeiten
Ich durchquere das Phantasma, ich nähere mich dem dialektisch entfalteten Autonomiegewinn; alles was, valabel erscheint. Ich reite die Angstwelle.
Eine attraktive prüde Sex-Göttin, heute war sie im Schottenrock. Ein herunterwanderndes Bild. Sie sollte geschlossene Schuhe tragen.
Es sind die Freiheitsversprechen des Neoliberalismus, die ihn so erfolgreich machen.
"The Disappearance of Eleanor Rigby": ein sehr interessanter Film. Neubourgeoise Liebesprobleme. Nah, relevant, bedenkenswert. Sehr gute Figuren. Trotzdem habe ich die ganze Zeit auf den Einsatz des entsprechenden Beatles-Stücks gewartet. Umsonst.
Die Lähmung weicht. Bügeleisen, die über WLan Viren in fremde Rechner speisen. Rechner, die über Schallwellen miteinander kommunizieren. Malware, Entsendungsbetrug, Air Gaps.
Sie jeden Tag zu sehen
hilft mir überhaupt nicht
Jeden Tag an sie zu denken
hilft mir nicht die Bohne
Sie ist so weit oben
Ich möchte eigentlich nur auf ihr herumkriechen
Eine Anästhesistin sprang auf einen Gummiball. Und lächelte schief. Schwester Martha stand an einer verschlossenen Tür und schaute nach rechts. Eine Zimmerflucht. Nein, ein Gang. Ein Korridor. Menschenleer. Hellgrün. Neonbeleuchtet. Geruch nach Desinfizierung. Geruch nach Putzmitteln. Geruch nach abgeschabten Bettrollen. Krankenschränken. Topfstühlen. Fahrbaren Tröpfen. Windeln. Infektionen. Geruch nach Dekubita, Geruch nach verschlossenen Wunden, Geruch nach Fäkalien. Geruch nach Anästhetika. Geruch nach Dosen, Schienen, Ampullen, Geruch nach vergorenem Blut.
Rauschen, Sirrtöne. Geräusche von zwei Aufzügen. Geflüster aus dem Krankenzimmer rechts. Irgendwo ein Heulen. Aus der Ferne Sirenen. Anschwellender Lärmpegel. Geräusche von Wagen, ununterscheidbar. Mehrere. Klingelnde Telefone, zwei laute, drei oder vier leisere. Geräusche aus dem Oberzimmer. Flüstern, Schreie, panisches Sprechen. Ein blinkendes Licht. Das wackelnde Namenskärtchen eines Arztes. Ein zweites, stärkeres Heulen. Entfernt ein Knistern, Luftzüge. Geruch von Qualm, Rauch, Dampf.
Ein plötzlich um die Ecke biegender Pfleger. Ein rennender Arzt. Mehrere rennende Ärzte. Baumelnde Stethoskope. Schlackernde Grünhemden. Blauhemden. Weißhemden. Tretende Gesundheitslatschen. Quietschende Rollbetten. Quietschende Bettfedern. Blicke auf Uhren. Das sanfte Tippen an Kanülen. Blicke auf Messgeräte. Eilende Ärzte. Hetzende Ärzte und Pfleger. Viele durcheinander rennende Ärzte und Krankenschwestern. Sehr viele kreuz und quer hastende Pfleger, Ärzte und Krankenschwestern. Ein Gewimmel von durcheinander eilenden Pflegern, Ärzten, Schwestern und Schwerverletzten auf Krankenbetten.
Die Dschungel. Anderswelt. (Alban Nikolai Herbst / Alexander v. Ribbentrop) : Particles & Co.
Am frühen Abend geträumt ich hätte meinen Körper waagerecht unterteilt. In fünf Partien. Oder waren es sechs? Habe sie beschreiben. Tja, nur was da stand? -Keine Ahnung! Weiß nur noch, das war eine Schönschrift, wie ich sie wirklich nicht habe. Selbstbeschreibungen. Wozu?
War kalt heute. Überall Dezembers Edenbuden. Dachte: Ein eigener Nimbus wäre nun nett. Einer, von dem die Blumen bis zu meinen Füßen herunterbaumeln. Oder -Kindheitserinnerung- der alte dunkellilane Vorhang meiner Mutter. Der wäre auch gut gewesen. Glänzte so sehr. Aber ein Hut täte es vielleicht auch. Mit eingebauten Hakuistrahlern.
Wie versiegelt da draußen herumgelaufen. Nur Dreien zugehört. Zwei von denen, schon seit Jahrzehnten bei den anonymen Alkoholikern. Und eine, die als Angehörige sprach. Haben beeindruckend von sich erzählt. Teilweise ähnliche Wege wie deiner. Hast kurz zuvor noch einmal nach mir gefragt. Bye bye lieber T. Auch wegen dir, bin ich heute die, die ich bin. Und wie du abgetreten bist, das hattest du nicht verdient. Wie ist es dort eigentlich? Sind es wirklich Manitus ewige Jagdgründe? Büffelwiesen? Das jedenfalls sagt Herr S. immer. Kreidemann im schwarzen Anzug. Das Haar schon weiß, aber eine Haut wie ein Babypopo. Der bekreuzigt sich immer, sagt: El el: Leg los!
Sonst nicht viel nachgedacht, außer: Brumm Brumm
So ungefähr war mein Tag. Weil mich meine Viren voll in Schach halten. Von mir aus! Deswegen wundern Sie sich bitte nicht über diesen Text. Meine arg an mir hängenden Erreger schrieben ihn. Ich bin nur ihre Gulliva.
schwungkunst.blog : ankomme 16uhr13
ich werde da sein,
gekommen um zu bleiben,
wie immer auch abgefahren
ich bin.
reisende haben noch
einen fahrplan mit
ankunft und abfahrt,
wechseltapetete,
verfrüht ist jede
abreise, wieder auf den
zugigen absteigen
ihrer herkunft.
ich werde sein, wo ich
zu selten bin, bei dir,
und also bei mir,
und dennoch wieder fahren,
dorthin, wo mir stillstand
widerfährt, ohne fahrplan
stolpernd durch die
augenblicke,
in denen ich aufschaue
und sehe durch all das gewirr,
wo ich bin nicht,
aber schon immer war.
(@ юлия)
in|ad|ae|qu|at : Liesl Ujvary: “soundflow” | kunstradio 14. 12. 14
⇒ broadcast 14. 12., 21014, 23:03
Ein knapp halbstündiges Hörstück hat die Autorin und Medienkünstlerin Liesl Ujvary für das ORF-kunstradio realisiert.
Liesl Ujvarys “SOUNDFLOW” unternimmt eine Annäherung an die Verarbeitungstechniken, die in unserem Innenohr stattfinden. Dieser Soundflow, den wir ununterbrochen empfangen, wird im Ohr gefiltert, geordnet, und in einer Weise interpretiert, die ihn für unser Zentralnervensystem als sinnvolle Information über unsere Umwelt erscheinen lässt.
Eine große Zahl unterschiedlichster Geräuschbahnen, die aus verschiedenen Frequenzen und Obertönen komponiert und zum Teil auch rhythmisch strukturiert sind, werden aneinandergereiht, übereinandergelegt und formen so einen akustischen Fluss voll überraschender Wendungen. Bekanntes scheint vorüberzugleiten, Fremdes, schwer Verständliches, drängt sich vor.
Die verwendeten Geräuschkörper werden, soweit möglich, von “Bedeutung” befreit. Auf der einen Seite “weißes Rauschen”, auf der anderen bekannte semantische Felder – dies erfordert ein Lavieren, das zu einem spielerisch anregenden Hörerlebnis führen soll. (Liesl Ujvary)
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⇒ Links:
Liesl Ujvary: “soundflow” @ ORF-Kunstradio Radiokunst, 14. 12. 2014, 23:03 – 23:59, Ö1
Liesl Ujvary: “soundflow” @ facebook
Liesl Ujvary: flugschrift, Literatur als Kunstform und Theorie 09 | 2014 @ in|ad|ae|quat
Liesl Ujvary: Autorinnenseite @ in|ad|ae|qu|at
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e.a.richter : DZL-07 TISCHLERPLATTE
er hatte eine Hobelbank, schließlich im Garten
abgestellt, unter dem Verschlag mit dem Pony.
Im Hintergarten gab es eine Blende aus seiner Hand
auf Wunsch der Großmutter, die beim Kochen
die nicht beobachtet werden wollte vom Nachbarn.
Wobei ich jetzt gar kein klares Bild habe von einer
Tischlerplatte: er leimte Platten gar nicht zusammen,
verwendete Vollholz, Buche, Eiche, Eibe, Kirsch
für das, was er zurechtschnitt, verleimte, lackierte,
verwendete Augen, Mund, Hände und Blut,
alles für die Ewigkeit, seine eigene zumindest.
Seine hölzernen Erzeugnisse: bald aus dem Haus
geworfen, im Freien der Witterung ausgesetzt,
wie vorher die Bäume, die er selbst schlägerte
mit Augen, Mund, Händen, seinem eigenen Blut.
Betten, Kästen, Bänke, Sessel, Schemel im Lauf
der Jahre überwuchert, morsche Wohnstatt und Nahrung
der Insekten. Das war die Tischlerplatte: was
Nachkommen verschmähten, der Hintergarten nahm
alles auf, sein Loblied auf den Holzkreislauf
(2013)
taberna kritika - kleine formen : P20 Col des Ares
isla volante : algunos
als gestern herr algunos erwachte war er entsetzt, er hatte sich verschlafen und so womöglich das schiff verpasst. er riss die dachlucke in seinem zimmer auf, um einen blick auf das meer zu werfen. alle waren schon wieder bei der anlegestelle, aber zum glück, war kein schiff in sicht.
wie im dann geschah kann er sich noch gar nicht erklären, er schwebte davon, im war angenehm warm und ein unbekannter duft war in der luft. was ihn erstaunt, alles schien vertraut, obwohl er keine ahnung hatte was mit ihm geschah.
er brauchte einige zeit um zu merken, dass das warten jetzt ein ende hatte. er machte einen letzten blick zurück auf die erde.
ein glück für ihn, waren fasst alle am meer, bei der schiffanlegestelle. so blieb seine abreise unbemerkt.
herr algunos war gespannt was da auf ihn zukommt.
was für ein glück.
rheinsein : Rheinstrom aus Niederheimbach
“Der River Rider ist eine Mikro-Wasserkraftanlage mit einer Leistung von etwa 4,5 Kilowatt, die die vorhandene kinetische Energie eines Flusses umwandelt. Über ein patentiertes Wasserrad mit gekoppeltem Generator wird elektrischer Strom zur Netzeinspeisung oder für den Inselbetrieb erzeugt. Die Wasserräder werden von einem Katamaran-Schwimmkörper getragen, der frei im Gewässer positioniert werden kann. Über Transmissionsriemen wird die Drehung des Wasserrades auf eine für den Generator geeignete Drehzahl übersetzt und dadurch Elektrizität ins Stromnetz eingespeist.” (Aus einer Pressemitteilung der Stadtwerke Mainz)
Der Niederheimbacher River Rider ging im Mai 2014 in Betrieb. Wir fanden ihn eines Abends im späten Oktober bei einem ausgedehnten Spaziergang durchs Ufergestrüpp. Die an ein Tretboot erinnernde Anlage misst zwölf mal sieben Meter und taucht mit beiden Wasserrädern rund 65 Zentimeter tief in den Fluss ein. Sie soll übers Jahr gesehen den Strom von 8 bis 10 Vier-Personenhaushalten erzeugen. Das Projekt in Niederheimbach ist zunächst auf zwei Jahre angesetzt. Entsprechend der Ergebnisse des Feldversuches soll später über die weitere Nutzung der Anlage entschieden werden.