Ich hatte mir gestern eher aus Sentimentalität Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns aus dem Regel gekramt. Als ich das Buch zum ersten Mal las, während meines Studiums in Frankfurt am Anfang der Neunzigerjahre, las ich noch durch eine ideologisierte Brille, die mir in der DDR verpasst worden war. Ich suchte im Text die Spuren des Verrates an der reinen Lehre, die ich in der alten Kritischen Theorie vertreten fand. Fundamentalopposition. Ein Land, wie die DDR eines war, ließ schlechthin keine freien Geister zu. Kritisch oder Systemkonform, unser Denken war vertkrüppelt und brauchte zum Halt einen Feind. Diesen Feind witterte ich anfänglich auch in Habermas’ Theorie und sein Versuch der Überwindung der Aporien der Kritischen Theorie kam mir wie Gotteslästerung vor. Das faszinierende aber war, dass der Lehrende, also der Professor Habermas, meine Positionen im Fachbereichsrat (ich war dort einige Zeit studentischer Vertreter) und auch in den Seminaren ernst nahm, und dafür sorgte, dass sie zu Gehör kam, ohne, was man vermuten könnte, mich als Ossi vorführen zu wollen. Das bildete auch für mich selbst eine Grundlage, das mir meine Position Gegenstand der Kritik werden konnte. Darüber entwickelte ich auch eine Unvoreingenommenheit gegenüber Habermas’ texten ohne zum Habermasianer zu werden, ach wenn mir gestern beim Start der erneuten Lektüre seine Argumentation glasklar erschien, und ich mich wieder bestätigt gefühlt habe in der Entscheidung, nach einem Semester Studium 1990 die Germanistik abzugeben, und neben Philosophie Soziologie zu studieren.
Einsortiert unter:Allgemein
