Ich habe den merkwürdigen Reflex, dass immer wenn ich einen Text zu Celan lese, ich nach einem Bändchen von Erich Arendt greifen muss, um darin ein Gedicht zu lesen. Das ging mir schon in meiner Frankfurter Studienzeit so. In Frankfurt war oft von Celan die Rede. Einmal erntete ich ein spöttisches Lächeln, als ich mich einem Kommilitonen offenbarte und sagte, dass ich Arendt und Celan für gleichrangige Dichter hielte. Hier Arendt:
NACH DEM PROZEß SOKRATES
Steingrauer Tag,
der sein Lid senkt.
Knie nicht
in den Schatten!
Spreu
schleifen die Stunden,
Spreu, abermillion, die
halt nicht machen
vor deiner Stirn
− Trauerschafott −,
schneller und
schneller, ohne
Geheimnis, und −
kein blutender Kern.
Verzweifelt die
chimärischen Fahnen,
sie blichen im jäh
verdämmernden
Rot,
Gleichgeschaltet
mit abwaschbaren
Handschuhn
gleichgeschaltet durch die
gezeichneten Finger
das erschöpfte
tausendströmige Herz.
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaDie da
handeln, an Tischen,
mit deiner Hinfälligkeit,
allwissenden Ohrs,
ledernen
Herzens ihr Gott, sie
haben das Wort:
aaaaaaaaaaaaaaWorte,
gedreht und
gedroschen: Hülsen
gedroschen, der
zusammengekehrte Rest.
Gehend im Kreis
der erschoßnen Gedanken
− wie war
doch der Atem groß −
halt versiegelt den Mund, daß
der Knoten
Blut
nicht Zeugnis ablege!
Wo Freude und Recht
gemeuchelt lag,
an der Wand
der Geschichte
stets noch: Du!
Gehend im Kreis – doch
der Meteor
Verfinsterung jagt
am ummauerten Himmel:
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaknie nicht −
Blutwimper, schwarz
das Jahrhundert
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