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Die Suche nach dem Glam : Verlandung

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Endlich kamen wir an. Wir sahen eine Dorfkirche und ein Wochenendhaus am Rande des Weltnaturerbes. Vier, fünf umliegende Bauernhäuser, eine Menge Wald. Ein darkes Häuschen am Ende eines Kopfsteinpflasterwegs, ein ehemaliges Forsthaus, das sie sich zu acht gekauft hatten, der General und seine Frau, Marie Kundera und ihr Mann, der Rechtsanwalt, sowie dessen Bruder mit Frau und Kindern. Wir stiegen aus und wurden von dem Gespenst begrüßt, das in einem nachlässigen Look (Morgenmantel, Jogginghose, ein ausgebeultes, weißes T-Shirt – es sah ein wenig aus wie meine Großmutter, die ihr Weihnachtsgeschenk auftrug, ein T-Shirt à la Mode mit ihrem Geburtsjahr beflockt, eine alte Frau in einem T-Shirt, auf dem 1925 stand) auf der Türschwelle wartete, aber ein Hund hechelte nicht um uns herum; dass es eine Menge Getier geben sollte hier, in der sogenannten freien Natur, sollte mir in den nächsten Tagen schon aufgehen, es gab eine kleine Fledermaus in einem Dachwinkel, eine kleine rote Kröte im Keller. Spinnen, Bremsen, Stechmücken, Falter, Käfer. Mäuse, die im Dachstuhl herum trippelten (ein Geräusch wie das Klappern auf Tastaturen), eine eingeführte Stadtkatze, die sich um die Mäuse nicht groß scherte, sich dafür aber gleich eine Zecke fing. Ein großes Zirpen und Summen, und nur gelegentlich die süßliche Melodie eines Rasenmähers.

Ich entkleidete sie, wie man Bettwäsche abzieht. Ich schlief mit Beinen.
Tief ein- und ausatmen. Der nächste Backlash kommt bestimmt.

"Alles vergeht, die Liebe und das Aussehen." Film #6, "Pride": Eine schwul-lesbische Wohlfühlkomödie mit linker Sozialromantik. In diesen Filmen gibt es Hindernisse. Sie werden wie Hürden aufgestellt, damit die Helden sie überwinden können. Im Grunde gibt es keine psychologischen Tiefen. Es gibt keine irrationalen Widerstände. Es gibt keine Wunderlichkeiten, kein erratisch Unbewusstes. Es gelingt - am Ende - immer alles.

Vorteil eines Trauerfalls: Man weiß, woher die Trauer kommt.


Ich kann keine Landschaftsaufnahmen mehr sehen.
Selbstwert-Regulation, Herrschaft über Gefühle ("Das kostet mich einen Anruf").

Sie waren älter geworden, ihnen wuchs Asche aus den Köpfen. Mädchenhafte Psychologinnen, die unvermittelt alt aussahen. Mit übergroßen Ohrringen, die ihnen die Ohren schwer machten. Schon wieder eine Psychotherapeutin, die nichts mit Depressiven anfangen konnte, ich hatte das alles doch irgendwie schon einmal erlebt -

Eine Engländerin von der Isle of Man fragte ich, was sie denn auf diese Psychologenparty führte, sie sagte, sie wäre nur ein paar Tage in Berlin auf Besuch, und ihre Freunde wären Psychologen und hätten sie einfach mitgenommen, und ich fragte im Scherz, so your friends are psychologists, and you are a patient, weil sie auch tatsächlich etwas irre auf mich wirkte, mit diesem flackernden Blick, der Aura von Absence, aber vielleicht war sie einfach nur angetrunken, zwei, drei Weißwein, oder selbst gemixte Gin Tonics, die sie mit einem Aluminiumstrohhalm ausgetrunken hatte, aber die Engländerin sagte, sie sei tatsächlich depressiv, und nannte mir auf Nachfrage ihr Antidepressivum, ein genuscheltes Wort, das ich nicht verstehen konnte, und sagte dann, dass sie zwei kleine Kinder habe, die ihr Ehemann gerade hüte, und dann löste sich die Begegnung auf -

Und während der Gastgeber umständlich ein Aluminiumbällchen entknäulte, der statt Kokain nur einen Rest Gras offenbarte, war niemand da, der Fotos hätte machen können, keine Selfies von Posen im Badezimmerspiegel mit Putzmitteln im Hintergrund oder Doppelselfies von C. als Nonne, ach, ich war ganz vernarrt in diese Bilder -

Ungefähr sechsunddreißig Stunden später setzte ich mich wieder zusammen.



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